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Ressourcen / Good Practice

Zukunftsstadt Lüneburg 2030+

Leuphana Universität Lüneburg, Institut für Ethik und Transdisziplinäre Nachhaltigkeitsforschung

Inhalt

Eingebettet in den bundesweiten Wettbewerb „Zukunftsstadt 2030+“ (gefördert vom BMBF) verfolgt die Hansestadt Lüneburg in insgesamt drei Arbeitsphasen und in enger Zusammenarbeit mit Universität und Stadtgesellschaft das Ziel, Lüneburg auf möglichst vielen Ebenen nachhaltiger zu gestalten. Hierzu wurden in der ersten Projektphase gemeinsam mit über 750 Erstsemester-Studierende im Rahmen des Moduls “Wissenschaft trägt Verantwortung”, Visionen für Lüneburg im Jahr 2030 und darüber hinaus entwickelt. In der aktuellen zweiten Projektphase entstehen in mehreren Workshops auf dieser Basis konkrete Maßnahmen, die dann in der dritten Phase umgesetzt werden sollen.

Kontext

Das Lüneburger Zukunftsstadt-Projekt ist ein gemeinsames Vorhaben der Leuphana Universität Lüneburg mit der Hansestadt Lüneburg und der Stadtgesellschaft im Rahmen des bundesweiten und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Wettbewerbs “Zukunftsstadt 2030+”. Stadtverwaltung, Universität und Repräsentant_innen der Stadtgesellschaft (aus den Bereichen Umwelt, Wirtschaft und Kultur) sind gemeinsam Antragstellende für die Projektförderung und seit Projektbeginn im Jahr 2015 zu gleichen Teilen an der Planung, Gestaltung und Durchführung des Vorhabens beteiligt.

Die Beiträge der Leuphana Universität liegen dabei vor allem in der wissenschaftlichen Begleitung und Koordination des transdisziplinären Arbeitsprozesses, der, neben einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung, besonders auf einer engen Einbindung von Studierenden aus unterschiedlichen Studiengängen fußt. In der Erarbeitung und Umsetzung der Maßnahmenideen wird auf bestehende Prozessen und Strukturen aufgebaut, die durch das Projekt weiter gestärkt und kontinuierlich gestaltet werden.

Ziele

Am Ende des Zukunftsstadt-Projekts wollen wir bereits erste Schritte gegangen sein, um die Stadt Lüneburg fit für die Zukunft zu machen. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist, dass diese Schritte von der Bevölkerung der Stadt getragen bzw. mitgegangen und gestaltet werden, sodass sie auch über das Projekt hinaus weiterverfolgt werden. Die Lüneburger_innen sind deshalb bei jedem Arbeitsschritt herzlich zur Mitwirkung eingeladen. Das Projekt selbst liefert demnach wichtige Impulse, bringt mögliche Akteure zusammen und liefert den planerischen Überbau für die ersten Schritte hin zur Umsetzung der geplanten Maßnahmen.

Eine weitere wesentliche Säule bildet die wissenschaftliche Begleitung des Projekts. Ziel dessen ist, einerseits neueste wissenschaftliche Erkenntnisse verschiedener Disziplinen in die Erarbeitung der Maßnahmen einfließen zu lassen, andererseits aber vor allem auch dafür Sorge zu tragen, dass wir aus dem Arbeitsprozess selbst gewisse Lehren ziehen können, die für folgende Stadtentwicklungsprozesse hilfreich oder auf andere Kommunen übertragbar sind. Dies gilt insbesondere für die Anbahnung und Durchführung der Maßnahmenumsetzung im Rahmen von Reallaboren.

Die Studierenden der Leuphana Universität lernen durch die enge Zusammenarbeit und Einbindung in das Projekt nicht nur die ganze Bandbreite an Themen im Bereich Nachhaltigkeit und Stadt am Beispiel ihres eigenen Studienortes kennen, sondern erhalten auch ganz praktische Einblicke in den Arbeitsprozess an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft. Sie können selbst aktiv miterleben, wie ihre Erkenntnisse und Produkte tatsächlich in die zukünftige Gestaltung ihrer Stadt miteinfließen.

Die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen (SDGs) rahmen dabei das gesamte Vorhaben im Sinne einer lokalen Interpretation der SDGs. Sie waren auch Ausgangspunkt des Visionierungsprozesses in Phase I und sind in der laufenden Phase II eines der Bewertungskriterien für die entwickelten Ideen (Beitrag zur lokalen Umsetzung der SDGs). Der immer wiederkehrende Rückbezug der Visionen und Maßnahmenideen auf die SDGs schärft auf diese Weise auch das Bewusstsein für die Wechselwirkungen zwischen globalen und lokalen Abläufen und Geschehnissen – sowohl bei den Studierenden als auch in der Bürger_innen der Stadt.

Strukturen und Inhalte

Die Organisationsstruktur im Lüneburger Zukunftsstadt-Projekt

Regelmäßige Treffen im Kernteam (bestehend aus dem Nachhaltigkeitsbeauftragte_n der Hansestadt Lüneburg und dem wissenschaftlichen Team der Leuphana Universität) als auch in der Steuerungsgruppe (der zusätzlich Vertreter_innen der Stadtgesellschaft aus Umwelt, Wirtschaft und Kultur angehören) zielen darauf ab, einen kontinuierlichen und intensiven Austausch zu gewährleisten. Dabei werden Zwischenergebnisse aus dem Projekt zeitnah und möglichst auf direktem Wege wieder in die entsprechenden Akteursgruppen zurückgespielt. Daneben findet die inhaltliche Arbeit in thematischen Untergruppen statt, die die Entwicklung tatsächlich umsetzbarer Maßnahmen zum Ziel haben: In der nun laufenden zweiten Projektphase arbeitet je ein sogenanntes Feldteam jeweils mit Repräsentant_innen aus Wissenschaft, Verwaltung und Gesellschaft an einem von fünf thematischen Schwerpunkten (Themenfeldern): Klimaanpassung, Wirtschaft, Stadtleben, Beteiligung und Vernetzung.

Verankerung in der Hochschule

Neben dem wissenschaftlichen Team, bestehend aus der Projektleitung, zwei wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen und mehreren studentischen Hilfskräften, ist das Zukunftsstadt-Projekt vor allem über die Lehre fest in der Leuphana Universität verankert:

  • In der ersten Phase arbeiteten über 750 Erstsemester-Studierende in 25 Seminaren gemeinsam mit über 50 Wissenschaftler_innen und Lehrenden und 250 Praxisakteuren an den Visionen. Dies geschah im Rahmen einer Kooperation mit dem Modul “Wissenschaft trägt Verantwortung” (siehe S. 24) innerhalb des Leuphana Semesters, das an der Leuphana Universität alle Erstsemester-Studierenden durchlaufen. Die erarbeiteten Visionen stellten die Studierenden auf der alljährlichen Leuphana Konferenzwoche vor, zu der auch immer die Lüneburger Gesellschaft eingeladen wird. Über die Zusammenarbeit im Rahmen des Leuphana Semesters waren Hochschulangehörige aus allen vier Fakultäten eng in die Visionserarbeitung eingebunden.
  • In der zweiten Phase leisteten insbesondere zwei Seminargruppen in einjährigen, transdisziplinären Lehrforschungsprojekten wesentliche Beiträge in jeweils einem der fünf Feldteams: Eine Gruppe von Bachelor-Studierenden des Hauptfachs Umweltwissenschaften bearbeitete das Themenfeld “Gemeinsam wirtschaften” und eine Gruppe Studierender im Master Nachhaltigkeitswissenschaft arbeitete zum Thema Klimaanpassung. Auch in dieser Phase wurden die Projektergebnisse wieder im Rahmen der Leuphana Konferenzwoche der Stadt- und Hochschulöffentlichkeit vorgestellt und dort mit den Anwesenden diskutiert. Daneben sind wiederum Kolleg_innen aus allen vier Fakultäten eng in die inhaltliche Arbeit im Rahmen der Feldteams, als Teilnehmende in Workshops, etc. in das Projekt eingebunden.

Ergebnisse

An der Visionsentwicklung in Phase I waren im Wintersemester 2015/16 neben 750 Studierenden (in 25 Kursen) und 50 Hochschulmitgliedern über 200 Praxisakteur_innen eingebunden; weitere Mitglieder insbesondere aus der Stadtgesellschaft erreichte das Projekt vor allem im Rahmen der Leuphana Konferenzwoche.

Seitdem haben kontinuierlich ein oder mehrere transdisziplinäre Lehrforschungsprojekte mit jeweils 10 bis 25 Studierenden stattgefunden, die in das Zukunftsstadt-Projekt eingebunden waren. An den Workshops der Phase II haben über 150 Bürger_innen und Hochschulmitglieder teilgenommen. Zum bisherigen Höhepunkt der Phase II nahmen über 250 Studierende des aktuellen Leuphana Semesters an geführten Rundgängen durch den Zukunftsstadt-Parcours teil, in dem die entwickelten Ideen vorgestellt, diskutiert und bewertet wurden. Viele studentische Initiativen (z.B. Fahrradbus, Kulturgarten) waren hier darüber hinaus in die Gestaltung des Parcours eingebunden und präsentierten, welche Beiträge Studierende der Leuphana Universität bereits heute zur nachhaltigen Stadtentwicklung leisten.

Zusätzlich lassen mehrere der entwickelten Maßnahmenideen schon jetzt vermuten, dass sie sicher zeitnah in die Tat umgesetzt werden. So gibt es beispielsweise das klare Bekenntnis zur Gründung eines Ernährungsrates in Lüneburg, und auch zu einer besseren Vernetzung der Lüneburger Initiativen wurden bereits erste Schritte unternommen.

Implementierungsstrategie

Meilensteine

Frühjahr 2015
Gemeinsame Stellung eines Förderantrags von Hansestadt, Leuphana Universität und T.U.N. e.V. (als Vertretung der Stadtgesellschaft) & Aufbau der Organisationsstruktur im Projekt
Sommer 2015
Konzepterstellung für Einbettung des Projekts in das Modul “Wissenschaft trägt Verantwortung”; gemeinsame Planung von Lehrenden-Workshops, Strukturen und thematischen Schwerpunkten
Herbst bis Frühjahr 2016
Visionsentwicklung im Rahmen des Moduls “Wissenschaft trägt Verantwortung”, Präsentation und Diskussion der 25 Visionen für Lüneburg 2030 auf der Leuphana Konferenzwoche 2016 als Abschluss der ersten Projektphase, offizielle Übergabe an die Stadtverwaltung
Sommer 2016
wiederum gemeinsame Antragstellung für Phase II
Frühjahr 2017
Tag der offenen Tür als Startschuss der Phase II, Einladung zur Mitwirkung auch in dieser Phase; gleichzeitig Beginn der einjährigen Lehrforschungsprojekte
Herbst 2017
Workshop-Reihe zur Entwicklung konkreter Maßnahmenideen mit vielen Teilnehmenden aus Wissenschaft und Praxis
Frühjahr 2018
Präsentation der 17 Lüneburger Lösungen (Maßnahmenideen) im Rahmen der Leuphana Konferenzwoche

Begünstigende Faktoren

  • Bereits lange Zeit bestehende Tradition der Zusammenarbeit zwischen Stadtverwaltung und Leuphana Universität Lüneburg (insbesondere über studentische Forschungsprojekte) und Verortung des Projekts genau an dieser Schnittstelle zwischen Lehre und Praxis
  • Bestehende Strukturen in der Lehre (Leuphana Semester, transdisziplinäre Lehrforschungsprojekte als fester Bestandteil des Curriculums, Komplementärstudium, …)
  • Projekt knüpft an aktuelle Prozesse der Stadtentwicklung an
  • Projektbüro in einem Co-Working-Space außerhalb von Rathaus und Universität (mindert Hemmschwellen zur Kontaktaufnahme)
  • Zusammenarbeit mit dem Fallstudienbüro der Fakultät Nachhaltigkeit (Koordination von Praxiskontakten, Einbettung in studentische Forschungsprojekte, zentraler Ansprechpartner für Interessierte)

Herausforderungen

  • Erreichung einer langfristigen Bindung der Praxisakteur_innen an das Projekt und die aus den Ideen entstandenen Vorhaben, insbesondere über die “Projekt-Lücke” zwischen Phase I und II hinweg
  • Sowohl Studierende als auch Praxisakteur_innen verstehen sich oftmals eher als Ideen- und Impulsgebende und sehen sich zunächst nicht als Handelnde in der Umsetzung der Ideen (= stetige Notwendigkeit, Verantwortlichkeiten und nächste Schritte zu kommunizieren)
  • Sehr hoher (und oftmals unterschätzter) Arbeitsaufwand in der Kommunikation und Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, sowie in der fachlichen und organisatorischen Betreuung der Studierenden und ihres Einbezugs in das Projekt

Erfahrungsbericht

Eine regelmäßige Berichterstattung in den regionalen Medien spiegelt das Interesse der Stadt und ihrer Bürger_innen an einer aktiven Projektbeteiligung wieder. Auch in den Veranstaltungen und in Gesprächen im Projektbüro zeigte sich großes Interesse der Bewohner_innen sich einzubringen und die Stadt aktiv mitzugestalten. Dies ist auch auf die niedrigschwelligen und innovativen Ansätze zur Beteiligung im Projekt zurückzuführen (z.B. „Bierdeckel-Aktion“ zur Sammlung von Ideen). Für die Studierenden stellt die Einbindung in ein “echtes Projekt” einen Motivationsfaktor dar. Hierbei ist insbesondere die Aussicht auf eine tatsächliche Umsetzung und darauf, wirklich etwas zu bewirken, das vielleicht noch während ihres Studiums in der Stadt sichtbar anders sein wird, ausschlaggebend. Gerade die Studierenden, die in Phase I an der Visionierung mitgewirkt haben, fühlen sich auch zwei Jahre später noch „ihrer” Vision verbunden und zeigen oftmals großes Interesse an deren weiterem Werdegang im Projekt.

Die enge Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung mit dem Ziel der Umsetzung konkreter Maßnahmen ist auch für die Praxisakteur_innen interessant, die der praktischen Relevanz und dem Nutzen der Mitwirkung an “Uni-Projekten” sonst gelegentlich skeptisch gegenüberstehen.

Schließlich wird deutlich, dass auch die Stadtverwaltung, ermöglicht durch die bereits recht lange Projektlaufzeit, die Universität und die engagierte Stadtgesellschaft zunehmend als wertvolle Ideengebende und Ressourcen versteht.

Die Lücke zwischen den Projektphasen konnte durch die längerfristig angelegten Lehrveranstaltungen (Lehrforschungsprojekte) überbrückt werden. Hierdurch konnte die Kontinuität im Projektverlauf gesichert werden. Mehrere Abschlussarbeiten sowohl im Bachelor- als auch im Master-Studium sind bereits aus dieser Zusammenarbeit mit den Studierenden erwachsen, deren Ergebnisse wiederum wertvolle und vertiefte Erkenntnisse für das Projekt liefern. Um die weitere Umsetzung der entwickelten Maßnahmenideen voranzubringen, wird es auch in den kommenden Semestern viele Lehrveranstaltungen in allen Fachrichtungen geben, die Konzepte erarbeiten, erste Daten erheben oder andere erste Schritte in Richtung einer Umsetzung unternehmen.

Kernprinzipien

  • Enge Zusammenarbeit mit Praxisakteur_innen (Umsetzbarkeit der Maßnahmen)
  • Ausgestaltung der Lehre im Rahmen des schon bestehenden Curriculums (Erwerb von Credit Points möglich)
  • Verknüpfung von Studium und Praxis über einen expliziten Rückbezug der Projektinhalte auf die Verhältnisse vor Ort einerseits und globale Zusammenhänge andererseits (Rahmung durch die SDGs)
  • Einbezug aller Fachrichtungen der Universität (sowohl seitens der Lehrenden als auch der Studierenden)
  • Anknüpfung an Leitbild und Strukturen der Universität (Nachhaltigkeit, Inter- und Transdisziplinarität, …)