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Ressourcen / Good Practice

World Citizen School

Universität Tübingen

Inhalt

Die World Citizen School (WCS) ist ein transdisziplinärer Hub für weltbürgerschaftlich engagierte Studierende, Zukunftsmacher_innen und Young Professionals. Das Motto ist: Selbstbestimmt lernen für die Gesellschaft – die Welt für morgen gestalten. Als freier Lernraum bietet er über 30 Initiativen und Social Startups eine Heimat am Weltethos-Institut der Universität Tübingen. Über 300 engagierte Weltgestalter_ innen bilden sich selbst, lernen von- und miteinander, schließen Kooperationen oder starten gemeinsam innovative (Bildungs-)Projekte. Bildung wird zur Selbstbildung, Kooperation zum Treiber gesellschaftlicher Innovationen und gesellschaftliches Engagement wirkungsvoll „von unten“ in die Lehr- und Forschungsaktivitäten der Universität integriert. Durch Workshops, Netzwerkarbeit, E-Learning und prozessbegleitendes Coaching werden ethische Gestaltungs-, Führungs- und Kooperationskompetenzen gefördert. Das Modell wird seit 2013 erfolgreich erprobt, ist skalierbar und findet erste Nachahmer_innen an (internationalen) Hochschulen.

Kontext

Hochschulen sind aufgefordert, im Sinne ihrer University Social Responsibility zunehmend auf neuartige Weise Lösungen für drängende gesellschaftliche Probleme zu entwickeln. Als Bildungsinstitution haben sie die Aufgabe, Studierende zu unterstützen, als studentische Bürger_innen gesellschaftliche Verantwortung übernehmen zu können. Dem studentischen Engagement und studentischen Initiativen kommt in diesem Kontext eine besondere Rolle zu. Im freiwilligen Engagement lernen sie, Verantwortung zu übernehmen und die Zukunft mitzugestalten. Im Gegensatz zur Professor_innenschaft unterliegt die Studierendenschaft jedoch einer weitaus größeren Fluktuation. Mit dem Studienabschluss geht in der Regel wertvolles Wissen verloren, bis die nachfolgenden (hochschulpolitisch) Engagierten das nötige Wissen erworben und entsprechende Netzwerke aufgebaut haben, um ihr Studienumfeld und die Bedingungen mitgestalten zu können. Vor diesem Hintergrund wurde das Modell-Projekt World Citizen School (WCS) am Weltethos-Institut der Universität Tübingen, einem An-Institut (eigenständige Einrichtung mit Kooperationsvertrag zur Universität) der Stiftung Weltethos an der Universität Tübingen, ins Leben gerufen. Mit Hilfe der ideellen und finanziellen Ressourcen wird das Modellprojekt seit 2013 stetig weiterentwickelt. Das selbst noch junge Institut wurde 2012 mit den Schwerpunkten Wirtschafts- und Globalisierungsethik gegründet und wird finanziert von der Karl-Schlecht-Stiftung.

Ziele

Hauptziele

  • Sichtbarmachen des studentischen (Bildungs-) Engagements und Etablierung von nachhaltigen Strukturen im Sinne eines Gedächtnisses für nachkommende Studierendengenerationen
  • Stärkung der Engagement- und Anerkennungskultur für gemeinwohlorientiertes Engagement durch Bildungsangebote
  • Zusammenarbeit der studentischen Zivilgesellschaft mit Vertreter_innen aus Wissenschaft, Wirtschaft, öffentlicher Verwaltung, Politik und Bürgergesellschaft durch Netzwerkstrukturen fördern

Inhalte

Entwickelt hat sich das WCS-Modell „bottom-up“ aus einem Netzwerk von über 20 studentischen Initiativen. Die Aktivitäten der Initiativen sowie das Programm der WCS orientieren sich dabei an den Werten des Projekts „Weltethos“ (Menschlichkeit, Gegenseitigkeit, Friedfertigkeit, Gerechtigkeit, Partnerschaftlichkeit und Ehrlichkeit) sowie an den Werten der Sustainable Development Goals (SDGs) bzw. den Principles for Responsible Management Education (PRME). Ressorts der WCS sind Menschenrechte und Demokratie, Chancengerechtigkeit, Entwicklungszusammenarbeit, Interkulturelles Lernen, Ökologische Nachhaltigkeit und Wirtschaftsethik.

Strukturen und Inhalte

Die WCS-Strukturen bestehen aus vier Organisationsbereichen.

Selbstbildung der Initiativen (bottom-up)

Das (Selbstbildungs-)Engagement der Initiativen zeichnet sich insbesondere durch Selbstorganisation sowie durch gesellschaftliche Relevanz und Aktualität der Themen aus. Neben einem informellen besitzt das Engagement nicht selten auch einen formellen Bildungscharakter in Form von Workshops, Seminaren, Konferenzen oder Podiumsdiskussionen. Zudem kann es, wie an der Universität Tübingen erfolgreich praktiziert, z.B. im überfachlichen Bereich durch den Career Service anerkannt werden. Ein Fünftel der WCS-Mitgliedsinitiativen nimmt dieses Angebot der Universität an.

Die WCS macht alle (Bildungs-)Aktivitäten der Mitglieder im Engagement-Kalender sichtbar und kommuniziert diese proaktiv. Die Initiativen erhalten darüber hinaus durch die WCS-Hochschulpartner Unterstützungsangebote wie z.B. Coaching, Räumlichkeiten, ideelle oder finanzielle Unterstützung.

Social Innovation Programm: Workshops, Camps, Coaching und e-Learning (yooweedoo)

Das Social Innovation Programm stellt Methoden-Wissen zur (Selbst-)Organisation aus den Bereichen des Social Entrepreneurship und Nonprofit in Form von Workshops, Camps, Coaching und E-Learning bereit. Es richtet sich an studentische Initiativen, Social Startups, engagierte Studierende und Professionals und besteht aus zwei „Tracks“:

  • Der „Social Innovation Track“ unterstützt die Entwicklung bis zur Umsetzung von Ideen oder Sozialunternehmen und richtet sich an Startup-Initiativen und Entrepreneure.
  • Der „Impact Management Track“ bietet Wissen zur Wirkungsanalyse, Teammanagement, Kommunikation, Crowdfunding, Recht, Netzwerkarbeit, Partizipationsverfahren u.v.m.

Beide Tracks werden zum einen durch persönliches Coaching sowie durch das Online-Lernprogramm der Zukunftsmacher-Plattform von yooweedoo unterstützt.

Community: Kooperatives, transdisziplinäres Netzwerk für Studierende

Alle Mitgliedsinitiativen, deren Mitgliederstruktur in der Regel selbst interdisziplinär geprägt ist, bilden gemeinsam mit den Hochschulpartnern das transdisziplinäre Netzwerk der WCS, das von Mitarbeiter_innen moderiert wird. Die regelmäßigen Netzwerkveranstaltungen und digitale Vernetzungsplattformen sind wichtige Instrumente. Dort werden Bedürfnisse, Interessen und Kooperationen zwischen den Mitgliedern ausgelotet, sichtbar gemacht und im weiteren Prozess begleitet.

Studentische Mitglieds-Initiativen: Anti-Corruption International, Arbeiterkind, Bunte Wiese, C2C, DesiertoFlorido, Gemeinwohl-Ökonomie, Global Marshall Plan, Greening the University, Klimagarten, Mach Schule, Neckarthaler, oikos, Rethinking Economics, sneep, RYL!, stay, Studieren ohne Grenzen, UN HSG, WOW e.V., you-manity, Viva con Aqua.

Hochschulpartner in Netzwerk: Career Service, Hochschuldidaktik, Fachsprachenzentrum, International & European Studies, Beirat für nachhaltige Entwicklung.

Organisation: (studentische Selbst-) Verwaltung und redaktionelle Strukturen

Die Organisation der WCS wird getragen von eineinhalb Vollzeitstellen, zwei studentischen Hilfskräften und einem vierköpfigen, studentischen Redaktionsteam mit einem Büro am Weltethos-Institut. Leitung und Koordination fungieren als Lernbegleiter_innen. Mitglieder des Redaktionsteams durchlaufen ein einjähriges Ausbildungsprogramm, bestehend aus wöchentlichen Redaktionssitzungen, Workshops, Online-Lernprogramm und Lernwiki.

Ergebnisse

Output

Durch Workshops und Netzwerk-Veranstaltungen werden pro Semester über 200 engagierte Studierende und Changemaker_innen, über 20 Hochschulmitarbeiter_innen an der Universität Tübingen sowie über 100 Studierende und Hochschulmitarbeiter_innen anderer Hochschulen mit ca. 10 Workshops, 5 Monatsmeetings und Netzwerkveranstaltungen erreicht. Teilnehmer_innen unserer Programme gewinnen regelmäßig Preise und Stipendien, wie z.B. 2017 den Jugendfriedenspreis der Deutschen Gesellschaft der Vereinten Nationen (DGVN), den yooweedoo-Wettbewerb (siehe S. 148) [1] für Change-Initiativen oder das Social Impact Lab Stipendium für Sozialunternehmer [2].

Impact

Verhaltensveränderungen der Mitgliedsinitiativen lassen sich durch eine signifikant steigende Zahl an Kooperationen ausmachen. Durch die Netzwerkarbeit werden gemeinsame öffentliche Veranstaltungen, Workshops und Seminare organisiert. Prominente Beispiele sind die entstandenen Bildungswochen Week of Links (siehe S. 28) – Woche für nachhaltige Entwicklung, die Menschenrechtswoche oder die Weltklimawoche.

Implementierungsstrategie

Wissenstransfer für Hochschulen durch World Citizen School Alliance e.V.

Das WCS-Modell wird seit 2015 von weiteren Hochschulen nachgefragt. In der Folge entstanden an der HTW Chur (Schweiz) und 2017 an der Université Aix-Marseille (Frankreich) zwei erste „studentische“ Ableger. Im Jahr 2018 wird das Modell an der Universität Eichstätt-Ingolstadt professionell implementiert.

Zum Zweck des professionelleren Wissenstransfers und zur Unterstützung des studentischen Engagements vor Ort wurde 2017 der World Citizen School Alliance e.V. gegründet, um bei der Implementierung zu unterstützen sowie den Wissensaustausch im entstandenen informellen Hochschulnetzwerk zu verstetigen.

Für Hochschulmitbarbeiter_innen: Neben zahlreichen Transferdokumenten bietet der Verein Hochschulmitarbeiter_innen die Möglichkeit, am Kolloquium Transformative Lehre – Bildungsprogramme für Social Innovators und Demokratieentwickler teilzunehmen.

Für Studierenden-Hubs und Labs: Studierenden und den von ihnen organisierten Lernräumen bietet der Verein im Rahmen einer Partnerschaft kontinuierlichen Wissenstransfer, Qualifizierung und Unterstützung bei ihrer Selbst-Organisation an.

Für weitere Informationen zu Transfer und Implementierung sei an dieser Stelle auf unseren herunterladbaren Wirkungsbericht 2013-2016 auf unserer Website [3] sowie auf den im Juni 2018 erscheinenden und frei zugänglichen Artikel in der Zeitschrift für Hochschulentwicklung verwiesen: The World Citizen School – A spaceforself-organized learning of socially engaged student initiatives [4].

Erfahrungsbericht

Also es ist einfach megacool, dass wir als Initiative hier viele andere Initiativen kennenlernen und dadurch wissen, welche anderen Studierenden sich in Tübingen sozial engagieren. Ich finde diese Vernetzungsmöglichkeit super. Damit können wir mit den anderen Initiativen kooperieren und Synergien schaffen. Und diese Möglichkeit hätten wir ohne die World Citizen School nicht.

Felicitas Dörring, Rock Your Life! – Tübingen, #Chancengerechtigkeit

Ich habe durch mein soziales Engagement mehr gelernt als durch mein Studium in vieler Hinsicht […]. Wir haben eine ganze Menge Seminare veranstaltet und viele Projekte gemacht […]. Und dabei unterstützt uns die World Citizen School hervorragend.

Jan Stratil, you-manity, #Entwicklungszusammenarbeit

Kernprinzipien

Pädagogik

  • Selbstbestimmtes Lernen und Lebensweltorientierung: projektbasiert, entdeckend, forschend, aktivierend, vereinbarend, erfahrungsbasiert, lebenslang
  • Grundsatz der Selbstorganisation: Studierende ihre Bildung und Projekte (weitgehend) selbst initiieren und organisieren lassen

Inhalte

  • World Citizenship: Bürger_innen im Dialog um die gemeinsame Welt von morgen (SDGs, Menschenrechte, Demokratie etc.) und Empowerment („Hilfe zur Selbsthilfe“)
  • Vermittlung prozeduraler Methoden: Erwerb von Gestaltungs- und Führungskompetenzen durch Impact Management und Social Innovation & Entrepreneurship

Struktur

  • Professionelle Vernetzungsarbeit für Transdisziplinarität: Wissenstransfer und Kooperationen zwischen studentischen Initiativen (Peer Learning) und Hochschulpartnern mit Akteuren aus allen Lebensbereichen
  • Sichtbarkeit des wertebasierten Engagements: Aufwertung des Engagements und verbundener (informeller) Lernprozesse durch redaktionelle Strukturen (z.B. eingehende Pflege des Engagement-Kalenders)