Inhalt
Kontext
Die Leuphana Universität Lüneburg versteht sich als humanistische, nachhaltige und handlungsorientierte Universität und verfolgt bereits seit den 1990ern das Thema nachhaltige Mobilität in Forschung und Lehre am Institut für Stadt- und Kulturraumforschung. Zudem ist die Universität seit 2000 nach dem Umweltmanagementsystem EMAS validiert. In diesen kontinuierlichen Prozess sind ebenso Studierende in verschiedenen Projektseminaren eingebunden.
2007/08 gab es das erste Projektseminar zum Thema autoarmer Campus mit einer umfangreichen Ist-Analyse des Verkehrs auf dem Campus, Evaluationen und Szenarien zur Weiterentwicklung der nachhaltigen Mobilität und Handlungsempfehlungen. Zudem entstand im Rahmen eines Seminars ein zweites Konzept zur Problemanalyse und konzeptionellen Entwicklung.
Die Senatskommission Nachhaltigkeit hat Ende 2016 die Weiterentwicklung der Lebenswelt Campus als Schwerpunkt für die nachhaltige Entwicklung an der Universität bestimmt. Wiederum ein Jahr später startete der partizipative Prozess, in dem wir auch das Konzept eines verkehrsberuhigten Campus festhielten. Die Uni führte Seminare, Workshops, Podiumsdiskussionen mit Studierenden und Beschäftigten durch.
Ein neuer Bereich im Gebäudemanagement ist dafür verantwortlich, die Ergebnisse zusammenzutragen, sie mit den internen Stakeholder*innen abzustimmen, sie weiterzuentwickeln und sie schließlich umzusetzen. Begleitend untersuchen Beschäftigte und Studierende weitere Themen in Seminaren und Bachelorarbeiten.
Ziele
- Förderung klimaschonender Mobilität und Minderung des motorisierten Individualverkehrs zur Verbesserung der Aufenthaltsqualität auf dem Campus
- Gestaltung des Campus als Ort des Wohlfühlens, der Gespräche und des Zeitverbringens
Beitrag nachhaltige Mobiliät
An der Leuphana gibt es bereits zahlreiche Angebote zur nachhaltigen Mobilität. Mit dem autoarmen Campus erfolgte ein weiterer Schritt. Dieser ist Teil des Projekts Lebenswelt Campus und ist mit den Themen Erhöhung der Biodiversität, essbarer Campus, Barrierefreiheit, Lernorte, Räume der Begegnung und Erholung, Gesundheit und Bewegung auf dem Campus verbunden. Der erste Schritt zur Umgestaltung ist, dass der Campus verkehrsberuhigt ist und zur Verkehrsführung das Konzept des „Sickersystems“ (Zufahrt möglich, aber nur mit Schrittgeschwindigkeit gemäß StVO-Zeichen 325) greift. Der nächste Schritt ist die Entsiegelung der Straßen, um einen shared space und einen Campuspark zu gestalten. Damit ist die nachhaltige Mobilität als Voraussetzung für einen erholsamen Ort mit unterschiedlichen Bedürfnissen für alle erlebbar.
Die Einführung des verkehrsberuhigten Bereichs bedeutet, dass alle Verkehrsteilnehmer*innen gleichberechtigt die Straßen nutzen dürfen und eine Schrittgeschwindigkeit (7 km / h Tempolimit) vorgeschrieben ist. Gleichzeitig haben wir das Sektorensystem eingeführt. Das bedeutet, dass der Campus aus einem Ost- und Westteil besteht. Beide Bereiche sind untereinander nicht mit dem MIV erreichbar. Zudem verkomplizierten wir die Wegeführung auf dem Campus, indem eine direkte Anfahrt der Gebäude unterbunden und nur durch Umwege von außen möglich ist – dies mit dem Gedanken, dass die Autos bereits auf den dabei zu querenden, außen liegenden Parkplätzen abgestellt werden. Der Hintergrund ist, dass die Universität eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen ausweisen muss, die sich nicht über die vier größeren Stellplatzanlagen abdecken lassen. Daher müssen wir weitere Parkmöglichkeiten im Inneren des Campus ausweisen. Die Erreichbarkeit dieser sog. Straßenrandparkplätze soll aber erschwert und ihre Attraktivität dadurch gemindert werden.
Gemäß des Pull-und-Push-Konzepts erschweren wir die Ziel-(Haustür)-Erreichbarkeit mit dem Auto (Push), während wir auf der der Pull-Seite die Fahrradalternative in ihrer Qualität ausbauen. Eine AStA-Fahrradselbsthilfewerkstatt, sehr viele installierte Abstellbügel für Räder und die interaktive Fahrradkarte für Radschönrouten zur Universität ergänzen die Maßnahmen.
Aufbau und Inhalt
Prof. (apl.) Dr. Peter Pez, Institut für Stadt- und Kulturraumforschung, ist in engem Austausch mit der Koordinatorin des Projekts Lebenswelt Campus, den Studierenden und den Ansprechpartner*innen für die Umsetzung im Gebäudemanagement.
Damit erfolgt eine Verknüpfung und Abstimmung mit den anderen AGs der Lebenswelt Campus:
- Biodiversität: Institut für Ökologie, Studierende und Gebäudemanagement
- Barrierefreiheit: Vertrauensperson der Schwerbehinderten, Gleichstellungsbüro und Gebäudemanagement
- Bewegung: Allgemeiner Hochschulsport und Studierende
- Lernorte: Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA), Dachverband der studentischen Initiativen (DSi), weitere Studierende und Ombudsperson Studierende
Zudem besteht ein direkter Kontakt und Austauschformate mit den Ansprechpersonen der Stadt Lüneburg.
Ergebnisse
- Einführung der Verkehrsberuhigung und Umsetzung der neuen Verkehrsführung: Aufteilung der Autoströme nach Ost-/West-Bereichen; Zonierung und Leiten der Verkehrsströme über Steckpfosten (für Radfahrende und Fußgänger*innen passierbar)
- Begleitforschung: Eine Studentin untersuchte in ihrer Bachelorarbeit die Wirkung dieser Maßnahmen. Mit dem Ergebnis: Die Verkehrsberuhigung und das Sektorensystem führen auf dem Campus bereits nachweislich zu Entlastungseffekten vom Autoverkehr (Ergebnisse auf Nachfrage erhältlich).
- Erhöhung der Aufenthaltsqualität: Erste ehemalige Gehwegbereiche haben wir durch das Mischprinzip des verkehrsberuhigten Bereichs (Fahrbahn = Gehwegs- und Aufenthaltsfläche) entsiegelt. Wir haben zahlreiche neue Sitzmöglichkeiten aus Holz in den Grünbereichen installiert. Damit soll auch ein verändertes Bewusstsein des MIV erfolgen und dies soll zeigen, dass eine nachhaltige Mobilität gelingen kann und für die Menschen zum Vorteil ist.
Verstetigung
Die Maßnahmen sind in das Nachhaltigkeitsleitbild der Leuphana Universität Lüneburg voll eingebunden. Das Präsidium unterstützt das Vorhaben vollumfänglich. Der Präsident der Leuphana hat den Mobilitätsexperten Peter Pez offiziell zum Verkehrsbeauftragten der Universität ernannt und diese Funktion somit organisatorisch eingebettet. Der Verkehrsbeauftragte unterstützt auch bei Themen, die die Universität und die Stadt Lüneburg betreffen.
Organisatorisch ist der neue Bereich Lebenswelt Campus im Gebäudemanagement entstanden und damit institutionalisiert. Zudem ist er Teil des Umweltmanagementsystems nach EMAS. In den Umweltprogrammen finden sich die einzelnen Ziele und Maßnahmen zur Weiterentwicklung.
Studentische Partizipation
Bei der Verkehrsberuhigung des Campus bzw. der Implementierung des über Verkehr hinausgehenden Projekts Lebenswelt Campus beteiligten sich neben allen anderen Statusgruppen sowie zahlreichen Einrichtungen auch die Studierenden. Sie gestalteten den Prozess aktiv mit: als Teil der Senatskommission Nachhaltigkeit, in verschiedenen Projektseminaren zum Thema Lebenswelt Campus (s.o.) oder im Austausch mit dem AStA und dem StuPa zu Verkehrsthemen.
Umsetzung
Einblicke
Die Gesamtsicht zeigt, dass letztlich alles miteinander verzahnt ist. Verkehrsräume von parkenden Autos zu befreien, bleibt beispielsweise unbefriedigend, wenn man nicht durch Begrünung, Blühpflanzen und Sitzgelegenheiten daraus neue und schöne Aufenthaltsflächen gestaltet.
Professor aus der AG Verkehr
Besonders gut haben mir die unkomplizierten Treffen mit anderen Studierenden gefallen, in denen wir in kürzester Zeit Ideen zu idealen Lernorten zusammengetragen und zunächst frei von Einschränkungen durch Verwaltungsauflagen angenommen haben. Ich würde mich am meisten freuen, wenn wir im weiteren Verlauf Lernorte im Freien wirklich so gestalten, dass Natur erfahrbar bleibt.
Studentin, DSi
Nachdem wir die Poller zur Sperrung von Straßen installiert hatten, gab es zuerst eine große Verwirrung und etwas Chaos. Es kamen auch Beschwerden, dass das Konzept nicht schlüssig ist und es zu wenige Parkplätze gibt, wobei wir die nicht reduziert hatten. Zudem haben wir Autos abschleppen lassen – was natürlich zu großem Unmut bei den betroffenen Autohalter*innen führte. Jedoch auch zu schnellen Reaktionen: Sobald der Abschleppwagen auf dem Campus ‚gesichtet‘ wurde, parkten viele ihre Autos noch schnell um. Letztlich waren wir sehr zufrieden mit den Reaktionen, da wir mit weitaus mehr Gegenwehr gerechnet hatten.
Mitarbeiterin im Team Lebenswelt Campus
Zukunftsideen
In der Zeitperspektive in Generationen, also 20 bis 30 Jahre, wird sich in Bezug auf Mobilität viel ändern. Die Stellung des Autos ist bereits für die Generation der 40- bis 60-Jährigen viel geringwertiger als für deren Eltern. Und das Verhältnis für die jetzigen jungen Leute ist ggü. dem Auto nochmals viel gelassener und pragmatischer – es ist längst kein Statussymbol mehr. Die große Idee der Nachhaltigkeit senkt generell die Bedeutung des eigenen Autos in Deutschland und führt zu mehr ÖPNV, Radverkehr und Carsharing. Neue Freiräume entstehen insbesondere in Städten. Hierbei forcieren Maßnahmen, die das Autofahren unattraktiver machen – wie die Verkehrsberuhigung auf dem Campus –, diesen Trend. Denn Autonutzer*innen nehmen Attraktivierungsmaßnahmen für Verkehrsmittel des Umweltverbunds (sogenannte Pull-Maßnahmen) kaum wahr. Wohingegen Faktoren, die die Gunst des Autofahrens reduzieren (sog. Push-Maßnahmen) gespürt werden und zum Überdenken der Verkehrsmittelwahl Anlass geben.
Bisherige Erfolge
- Campus als verkehrsberuhigter Bereich („Sickersystem“, Tempolimit 7 km / h) mit Durchfahrsperren (Sektorensystem)