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Ressourcen / Good Practice

Themenklasse „Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit“

Humboldt- Universität zu Berlin

Inhalt

Die Deutschlandstipendium Themenklasse Nachhaltigkeit & Globale Gerechtigkeit unterstützt Studierende, neben ihrem Studium in interdisziplinären Kleingruppen an selbst entwickelten Forschungsprojekten zu arbeiten. Dafür steht ein Jahresstipendium zur Verfügung. Die Klasse wird am IRI THESys, einem interdisziplinären Forschungsinstitut der Humboldt-Universität zu Berlin, von Themenpat_innen betreut. Die Gestaltung, Umsetzung und letztlich Präsentation der Projekte liegt dabei gänzlich in der Hand der Studierenden.

Kontext

Das Deutschlandstipendium ist ein öffentlich-privates Bildungsprojekt, das seit 2011 bundesweit Bachelor- und Masterstudierende aller Fächer mit 300 Euro monatlich fördert. Das Stipendium wird jeweils zur Hälfte vom Bund und von privaten Förderern getragen. Die Deutschlandstipendium-Themenklasse ist in dem Konzept einmalig, es gibt sie nur an der Humboldt-Universität zu Berlin (HU). Das Format wurde 2013 initiiert und verbindet das Stipendium mit einer einjährigen Projektarbeit in interdisziplinären Teams. Die Themenklasse Nachhaltigkeit & Globale Gerechtigkeit ist am Integrativen Forschungsinstitut zu Transformation von Mensch-Umwelt-Systemen (IRI THESys) angesiedelt, wo Forschung zu und für globale Nachhaltigkeit stattfindet. Förderer neben dem Bund ist die Stiftung Humboldt-Universität.

Ziele

Die Stipendiat_innen erhalten im Rahmen der Themenklasse Gelegenheit, Erfahrungen in eigenen wissenschaftlichen Forschungsprojekten und in der Arbeit in einem interdisziplinären Umfeld zu sammeln. Neben der thematischen Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und globaler Gerechtigkeit steht vor allem der Austausch der Disziplinen im Vordergrund, sprich deren Koordination und Verknüpfung in Bezug auf ein gemeinsam gewähltes Forschungsprojekt. So setzen sich die Studierenden kritisch mit der eigenen Fachrichtung, ihren Konzepten und Methoden auseinander und überlegen, welchen Beitrag sie im Sinne des gegenseitigen Lernens im interdisziplinären Kontext leisten können. Der Raum für Aushandlungsprozesse rund um Themenfindung und Interdisziplinarität ist dabei integraler Bestandteil jedes Jahrgangs, genauso wie typische Herausforderungen durch Teamarbeit und Projektmanagement. Die Studierenden werden dazu ermutigt, von der Projektidee bis zur Ergebnispräsentation Inhalte, Abläufe und Formate eigenständig zu entwickeln und innerhalb eines Jahres erfolgreich umzusetzen.

Strukutren und Inhalte

Für die Themenklasse können sich Studierende der HU Berlin bewerben. Jährlich werden aus Bachelor- und Masterstudierenden der am IRI THESys vertretenen Disziplinen Geographie, Europäische Ethnologie, Philosophie, Wirtschafts- und Agrarwissenschaften sowie einer wechselnden Gastdisziplin 15 Stipendiat_innen gefördert. Die Studierenden erhalten monatlich das Deutschlandstipendium sowie für die Teilnahme an der Klasse 10 Leistungspunkte im überfachlichen Wahlbereich. Die Verwaltung der Stipendien liegt dabei zentral in der Hand der HU.

Anders als gewöhnlich bekommen die Stipendiat_innen durch ihre aktive Mitarbeit in der Themenklasse schon früh in ihrer wissenschaftlichen Laufbahn eine persönliche Betreuung durch Wissenschaftler_innen des IRI THESys. Jeder Jahrgang ist mit einem Motto versehen und soll im weitesten Sinne Bezug zur eigenen Universität nehmen. Dabei stehen die beiden großen Themenfelder Nachhaltigkeit und globale Gerechtigkeit im Zentrum der studentischen Forschung. Als Forschungsziel hat sich der Anspruch herauskristallisiert, die HU selbst nachhaltiger zu gestalten. Entstanden sind bisher u. a. Forschungsprojekte zum Ressourcenverbrauch des Geographischen Instituts, zum klimafreundlichen Angebot in der Mensa oder zu den Lieferketten hinter dem Universitätsshop. Nicht selten werden einzelne Themen an den nächsten Jahrgang übergeben und weiterentwickelt.

Der Themenklasse stehen am IRI THESys zwei organisatorische Ansprechpartner_innen (ein_e feste_r Mitarbeiter_in des Instituts und eine studentische Hilfskraft) sowie zwei bis drei wissenschaftliche Betreuer_innen als Themenpat_innen zur Seite. Regelmäßige Treffen mit den Betreuer_innen dienen der Präsentation von Fortschritten und dem Austausch über Fragen und Probleme; sie werden bei Bedarf um Workshops und Gastvorträge ergänzt. Zweimal jährlich findet ein Treffen mit den Förder_innen aus der Stiftung Humboldt-Universität statt, bei dem die Stipendiat_innen ihre Zwischenstände und Ergebnisse präsentieren. Am Ende eines jeden Jahrgangs laden die Studierenden zu einer eigens organisierten Abschlussveranstaltung ein.

Am IRI THESys ist die Themenklasse fester Teil der Nachwuchsförderung, die von Bachelor- und Masterstudiengängen bis zu Juniorprofessuren alle Karrierestufen mit zielgruppenorientierten Maßnahmen unterstützt und zusammenbringt. Die Stipendiat_innen sind dazu eingeladen, an den Programmen und Veranstaltungen des Instituts teilzunehmen (Bewerbung für den THESys Award, Vorträge im Graduate Program oder als THESys Lecture, Teilnahme an Sommerschulen, Konferenzen, Publikationen etc.) und sich mit erfahrenen Wissenschaftler_innen auszutauschen.

Ergebnisse

Von ihrer Gründung im Jahr 2013 bis zum Ende des Wintersemesters 2017/18 hat die Themenklasse bisher elf Projekte umgesetzt. Zu den konkreten Ergebnissen gehören u. a. Ausstellungen, Vorträge, Posterpräsentationen, Broschüren und selbst organisierte Diskussionsveranstaltungen [1]. Ein besonderer Erfolg war die zweijährige Arbeit am Konzept eines Studium Oecologicum (siehe S. 14) an der HU, das nach der Organisation einer ersten Ringvorlesung im Sommersemester 2015 für Weiterführung und Ausbau an das studentische Nachhaltigkeitsbüro abgegeben wurde. Weiterhin erschien 2017 ein gemeinsames Paper zum Quinoa-Konsum in den THESys Discussion Papers und schuf damit in dieser Publikationsreihe eine neue Rubrik studentischer Forschung, die andere Studierende inspirierte, ihre Arbeiten zu publizieren.

Die Themenklasse ist mittlerweile zu einer festen Akteurin im Ringen um mehr Nachhaltigkeit an der HU geworden und der Kontakt mit anderen Akteur_innen hat sich entsprechend etabliert, vor allem mit dem Studierendenwerk (in Bezug auf die Mensa), der Technischen Abteilung (in Bezug auf Energieflüsse) und dem Nachhaltigkeitsbüro (in Bezug auf das Studium Oecologicum).

Viele Stipendiat_innen profitieren zudem über ihre Förderzeit hinaus vom Netzwerk des IRI THESys, schreiben später ihre Abschlussarbeiten unter Betreuung der Wissenschaftler_innen des Instituts oder werden in ihrer weiteren wissenschaftlichen Laufbahn Teil der Forschungsgruppen oder Nachwuchsförderprogramme des IRI THESys. Durch die Arbeit der Themenklasse erlangt das Institut auch selbst besseren Zugang zur Studierendenschaft.

Implementierungsstrategie

Meilensteine

Begünstigende Faktoren

  • Gründung des IRI THESys als neuem fakultätsübergreifenden Forschungsinstitut an der HU im Rahmen der Exzellenzinitiative
  • Das IRI THESys als noch junges Forschungsinstitut mit viel Potenzial für neue Formate und Raum für Experimente
  • Kontinuität durch feste Ansprechpartner_innen am IRI THESys und im zentralen Friend- und Fundraising der HU
  • Entwicklung wiederkehrender Abläufe und regelmäßiger Austauschformate (Urkundenübergabe an neue Stipendiat_innen, Get-Together mit den Stifter_innen, öffentliche Abschlusspräsentation im Rahmen der Ringvorlesung des Nachhaltigkeitsbüros)
  • Positive Resonanz durch die Stiftung Humboldt- Universität und wiederholte Entscheidung zur Weiterförderung des Formats

Herausforderungen

  • Interdisziplinäre Zusammensetzung der Gruppe als neue, teils herausfordernde Erfahrung auch mit Konfliktpotenzial
  • Aktive Mitarbeit als essenzieller Anspruch, anders als in klassischen Einzelstipendien
  • Betreuung der Studierenden durch die Wissenschaftler_ innen (Themenpat_innen) als „Ehrenamt“
  • Diskontinuität in den Projektgruppen durch Auslandsaufenthalte oder Halbjahresstipendien aufgrund beendeter Regelstudienzeit
  • Abhängigkeit der Themenklasse von der Finanzierung und Weiterförderung des IRI THESys
  • Keine Garantie für dauerhafte Finanzierung der Stipendien durch die Stiftung Humboldt-Universität

Erfahrungsbericht

Die Themenklasse hat durch ihre Themen und Partner universitätsweit Aufmerksamkeit erregt. Angeregt durch die wissenschaftliche Arbeit der Stipendiat_innen konnten bereits einige Nachhaltigkeitsprojekte an der HU angestoßen werden, die längerfristig von den Projektpartner_innen weitergeführt oder vom Nachhaltigkeitsbüro übernommen wurden. Das motiviert auch weitere Studierende, sich auf das Stipendium zu bewerben.

Die Teilnahme an der Deutschlandstipendium-Themenklasse „Nachhaltigkeit & Globale Gerechtigkeit“ am IRI THESys hat mein Studium grundlegend verändert. Dass wir in der Themenklasse gezwungen sind, uns in die Logiken von anderen Fächern – sei es VWL oder Philosophie – einzudenken, erweitert auch die eigene Perspektive auf Themenkomplexe wie „Nachhaltigkeit“, stößt aber gleichzeitig ein Nachdenken über das eigene Fach und dessen Methodologie an. Ich bin mir sicher, dass ich diese spezifische Reflexion nicht im selben Maße erlernt hätte, wenn ich einfach nur im Überfachlichen Wahlpflichtbereich Lehrveranstaltungen aus anderen Fächern belegt hätte. Die Ermutigung zur Einbringung von eigenen Forschungsinteressen im Rahmen der Themenklasse ist eine kostbare Möglichkeit, am IRI THESys mitzuwirken.

Dženeta Hodžić studiert Europäische Ethnologie und forscht schon seit mehreren Jahren in der Themenklasse

Das IRI THESys war bislang ein wesentlicher Bestandteil meiner persönlichen akademischen Laufbahn. Nachdem ich Teil der ersten Deutschlandstipendium-Themenklasse war, bekam ich die Chance, am Institut ein Forschungsprojekt im Rahmen meiner Masterarbeit durchzuführen und anschließend meine Promotion dort zu beginnen. Die ständige Notwendigkeit, meinen Ansatz und meine Herangehensweise verständlich zu machen und den Argumenten meiner Kolleg_innen zu folgen, haben mich überzeugt, dass nur durch kontinuierliche Zusammenarbeit, Präsentation meiner Annahmen und produktive Kritik aktuellen Herausforderungen begegnet werden kann.

Janine Hauer promoviert aktuell am IRI THESys und war Teil der ersten Themenklasse

Kernprinzipien

  • Studentische Forschung unter dem Dach „Nachhaltigkeit & Globale Gerechtigkeit“interdisziplinäre Teamarbeit im Verbund zwischen Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften
  • Eigenverantwortliche Projektentwicklung durch die Studierenden bei gleichzeitiger Einbettung in ein Forschungsinstitut (IRI THESys)
  • Raum für Experimente
  • Finanzierung in Form von Stipendien