Inhalt
In der Lehrveranstaltung Sustainicum I geht es darum, Nachhaltigkeit begreifbar zu machen. Nicht Faktenwissen und theoretische Modelle stehen im Vordergrund, sondern erfahrungsorientiertes Lernen durch Spiele, Übungen und Diskussionen. Dabei werden Kompetenzen erworben, die notwendig sind, um selber zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen und das im Studium erworbene Wissen im Sinne der Nachhaltigkeit einzusetzen.
Kontext
Die Universität für Bodenkultur (BOKU) nennt sich Universität des Lebens und ist durch ihre Studienfächer und Tradition eng an Themen der Nachhaltigkeit gebunden. Dennoch fehlte bislang eine Lehrveranstaltung, die eine Basis für das weitere Studium im Sinne der Nachhaltigkeit schafft. Das Zentrum für globalen Wandel und Nachhaltigkeit (gW/N) will Nachhaltigkeit an der BOKU institutionell voranbringen – sowohl im akademischen Bereich (Lehre und Forschung) als auch im täglichen Betrieb (Umweltmanagement). Das Zentrum ergriff daher die Initiative und bietet seit dem Wintersemester 2014/15 die Lehrveranstaltung Sustainicum I als freies Wahlfach an.
Ziele
Vor allem zu Beginn des Studiums soll Sustainicum I den Studierenden die Möglichkeit geben, Wissen und Erfahrungen aufzubauen, die sie durch den Rest des Studiums begleiten werden. Ziel der Lehrveranstaltung mit drei ECTS- Punkten ist, dass Erstsemestrige (Niedrigsemestrige):
- (Mit allen Sinnen) verstehen und erfahren, was Nachhaltigkeit ist,
- die Komplexität der großen gesellschaftlichen Herausforderungen verstehen und
- die Vielfältigkeit von Lösungsansätzen erkennen.
Langfristiges Ziel für das gW/N ist die Etablierung einer verpflichtenden Einführung in die Nachhaltigkeit für Studierende aller Studienrichtungen. Sustainicum I dient daher auch als Pilotlehrveranstaltung, um (1) interaktive Methoden zu erproben, die sich letztendlich auch für größere Studierendengruppen eignen und (2) Studierende zu begeistern um so einen gewissen „Druck von unten“ zu erzeugen.
Strukturen und Inhalte
Umfang: sechs geblockte Anwesenheitstage
Ort: Seminargebäude der BOKU abseits der großen Standorte am Rande des Wienerwaldes.
Struktur:
- Einstiegstag mit Kennenlernen, Input zur Problematik der großen gesellschaftlichen Herausforderungen (z. B. Klimawandel, Ressourcenknappheit, Bevölkerungsentwicklung); Workshop zum Thema Fußabdruck, in dem die Studierenden einen ressourcenschonenden Lebensstil diskutieren
- Zwei-Tagesblöcke mit Theorien von Nachhaltigkeit sowie Basistexte; ausgewählte Grand Challenges; Systemdenken, -zusammenhänge, -mechanismen; Werte, Ethik; Bildung für nachhaltige Entwicklung
Darüber hinaus erarbeiten die Studierenden weitere Inhalte in drei Hausarbeiten z.B.: Teilaspekte der großen gesellschaftlichen Herausforderungen; Systemzusammenhänge ausgewählter sozio-ökologischer Systeme; Analyse und Bearbeitung zentraler Nachhaltigkeitskompetenzen.
Der zusätzliche Zeitaufwand wird mit 30 Stunden angenommen. In einem anschließenden Kurstag werden die Ergebnisse der Hausarbeiten präsentiert, die Inhalte nochmals reflektiert und miteinander verbunden.
Die Lehrmethoden umfassen:
- Zwei zentrale Inputs (zwei mal eine Stunde),
- Interviews durch Studierende und Diskussionen mit Expert_innen (vier mal zwei Stunden),
- Spiele und Übungen (Ethik, Ressourcenknappheit, Systemmechanismen, exponentielles Wachstum, ökologischer Fußabdruck),
- Gruppendiskussionen,
- Reflexionsrunden und Feedback an Kolleg_innen, Vortragende, Diskussionpartner_innen und
- Ergänzende Inputs durch Videos
Die Leistungsfeststellung basiert auf drei Teilen: (1) Anwesenheitspflicht mit prüfungsimmanentem Charakter, (2) gewissenhaftes Ausfüllen der Reflexionsfragebögen und (3) Hausaufgaben und Gruppenarbeiten.
Ergebnisse
Aufgrund des anfänglich niedrigen Bekanntheitsgrades, fanden die ersten beiden Auflagen des Sustainicums mit jeweils ca. 12 Studierenden statt. Im Folgejahr stieg die Anzahl der Teilnehmenden auf 50 (Wintersemester) bzw. 28 (Sommersemester) Studierende. Die Anmeldezahl lag in allen Fällen weit darüber, aufgrund der schwierigen zeitlichen Vereinbarkeit mit den zahlreichen Pflichtveranstaltungen mussten jedoch viele Studierende wieder absagen. 50 Studierende stellen aufgrund der räumlichen Gegebenheiten aktuell die Obergrenze einer sinnvollen Durchführung dar.
Das Feedback der Studierenden basierend auf den Antworten in den Reflexionsbögen zeigt den Erwerb von vielfältigen Nachhaltigkeitskompetenzen.
Implementierungsstrategie
Folgende Punkte stellen die wichtigsten Meilensteine im Rahmen der Implementierung von Sustainicum I dar:
Sommer 2014: Konzeption der Lehrveranstaltung durch Initiatorinnen
Wintersemester 2014/15: Zustandekommen eines ersten Durchgangs
Begünstigende Faktoren und Möglichkeitsfenster für die erfolgreiche Implementierung waren dabei:
- Nach der BOKU Nachhaltigkeitsstrategie soll jede_r Studierende der BOKU zumindest einmal im Laufe des Studiums komprimiert mit Nachhaltigkeit in Berührung kommen
- Professoren haben die Möglichkeit Lehrveranstaltungen ihrer Wahl anzubieten
- Gründung der Arbeitsgruppe BNE und Bearbeitung der Ziele aus der BOKU-Nachhaltigkeitsstrategie
Folgende Herausforderungen entstanden während der Implementierung:
- Bisher haben hauptsächlich Studierende des Umwelt- und Bioressourcenmanagement die Lehrveranstaltung besucht. Damit erreichen wir zum großen Teil jene Studierenden, die thematisch ohnehin affin sind
- Unterschiedlicher Wissensstand der teilnehmenden Studierenden
- Entwicklung bewältigbarer und motivierender Hausübungen und Gruppenarbeiten
Erfahrungsbericht
Das Feedback der Studierenden gibt Energie und Mut, mit der Lehrveranstaltung weiterzumachen:
Beim Zurückdenken drei Tage nach dem Seminarblock erinnere ich mich an immer mehr Dinge, an denen sich andere Lehrveranstaltungen meines Semesters weder methodisch noch inhaltlich in keiner Weise messen lassen. Auch wenn es anstrengende Tage waren – Weiter so, bitte!“
Mir hat die Lehrveranstaltung sehr viel gebracht in Sachen Mut und sie hat mir ein reflektierenderes Bewusstsein gegeben.
Diese beispielhaften Rückmeldungen ähneln einem großen Teil der Feedbacks. Die Auswertungen der inhaltlichen Rückmeldungen zeigen, dass die Studierenden zahlreiche Kompetenzen für nachhaltige Entwicklung erworben haben.
Im Rahmen der Arbeitsgruppe BNE an der BOKU werden Möglichkeiten diskutiert, ähnliche Inhalte und Prinzipien auch in anderen Lehrveranstaltungen zu implementieren. Aktuell steht zur Diskussion, ausgewählte Inhalte in die Studieneingangs- und -orientierungsphase zu übernehmen.
Kernprinzipien
- Vielfältige Lehrmethoden
- Geringer Anteil an Frontalunterricht (<15%); im Vordergrund steht das Erleben
- Einbindung von Expert_innen aus der Universität zur organisationsinternen Bewusstseinsbildung
- Aktivierung und Selbstermächtigung der Studierenden
- Offen für Studierende aller Studienrichtungen
- Anrechenbar als freies Wahlfach mit drei ECTS-Punkten