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Ressourcen / Good Practice

Studium Oecologicum

Eberhard Karls Universität Tübingen

Inhalt

Das Studium Oecologicum ist ein interdisziplinäres Kursprogramm im Sinne einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an der Universität Tübingen. Es kann von Studierenden aller Fachrichtungen und Abschlussgrade belegt werden. Dabei möchte es Teilnehmende durch die Vermittlung von Orientierungswissen und Gestaltungskompetenzen dazu befähigen, mit der komplexen Thematik einer Nachhaltigen Entwicklung umzugehen, analysengestützte, reflektierte und verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen sowie selbst gestaltend für eine Nachhaltige Entwicklung aktiv zu werden.

Kontext

Das inter- und transdisziplinäre Kursprogramm Studium Oecologicum wird seit dem Sommersemester 2009 (unter dem Schwerpunkt „Nachhaltigkeit“) vom Career Service in Kooperation mit der Studierendeninitiative „Greening the University“ und dem Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) angeboten. Es entstand als eines der Kernprojekte im Rahmen des von „Greening the University“ ab 2007 angestoßenen Nachhaltigkeitsprozesses an der Universität Tübingen. Anfänglich wurde es inhaltlich und methodisch von Studierenden der Initiative konzipiert und organisiert (Themensetzung, Referent_innensuche, Qualitätssicherung etc.) und durch den Career Service organisatorisch unterstützt. Mittlerweile ist das Studium Oecologicum vollumfänglich institutionalisiert, d.h. alle Seminare werden vom Career Service und einer Projektstelle, die am IZEW angesiedelt ist, konzipiert und organisiert.

Ziele

Die Teilnehmer_innen aller Seminare im Studium Oecologicum sollen lernen, das Konzept einer Nachhaltigen Entwicklung als bewertungs-, entscheidungs- und handlungsleitendes Leitbild auszugestalten. Neben der Vermittlung fundierter Grundkenntnisse über Konzepte starker Nachhaltigkeit steht somit die Vermittlung von Kernkompetenzen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE), wie zum Beispiel die Gestaltungskompetenzen, im Zentrum. Dabei werden insbesondere folgende Lernziele verfolgt:

  • Verständnis von Konzeptionen starker Nachhaltigkeit und deren kritische Reflexion
  • Analyse und Bewertung von (nicht-)nachhaltigen Entwicklungsprozessen
  • Selbstreflexion der eigenen Lebensgestaltung vor dem Hintergrund der Nachhaltigen Entwicklung
  • Fähigkeit, gemeinsam mit anderen lokal wie global nachhaltige Entwicklungsprozesse in Gang zu setzen und zu verstetigen
  • Befähigung zum verantwortungsvollen Handeln in gesellschaftlichen Kontexten
  • Fähigkeit zu sachlicher Evaluation und Reflexion
  • Erlernen von inter- und transdisziplinären Arbeitsweisen

Die Zielgruppe des Studium Oecologicums umfasst Studierende aller Fachrichtungen und Semester sowie bei freien Plätzen auch Studierende von anderen Hochschulen der Region sowie Mitarbeiter_innen der Universität Tübingen und Tübinger Bürger_innen. Insbesondere bei transdisziplinären Kursen sind auch Nicht-Studierende zur Teilnahme eingeladen. Inhaltlich sollen in der Regel keine fachspezifischen Kenntnisse vorausgesetzt werden.
Die Kurse im Studium Oecologicum stellen einen gemeinsamen Lernprozess von Dozent_innen und Teilnehmer_innen dar. Für die Vermittlung von Kompetenzen im Sinne einer BNE ist die methodische Konzeption der Kurse von essenzieller Bedeutung. Die Wahl von Form und Methodik der Kurse soll sich nicht allein am Lerninhalt orientieren, sondern explizit an den Lehrenden und Lernenden.

Strukturen und Inhalte

Die angeboten Kurse gliedern sich in zwei Bereiche:

Grundlagenkurse führen in grundlegende Konzepte der Nachhaltigen Entwicklung ein und erörtern deren Teilaspekte und Verbindungen zu gesellschaftlichen Diskursen (z. B. Kurse zu: Ethik, Gerechtigkeit, Inter- oder Transdisziplinarität, Gender, Bildung für nachhaltige etc.).

Themenkurse wenden Grundlagen einer Nachhaltigen Entwicklung beispielhaft auf konkrete gesellschaftliche Fragestellungen und Politikfelder (Mobilität, Ernährung, Energie etc.) an. Die Auseinandersetzung mit den Themen kann sowohl theorie- als auch anwendungsorientiert erfolgen.

Für den Erwerb des Zertifikats „Studium Oecologicum“ müssen zwölf ECTS-Punkte im Rahmen von mindestens drei Kursen, die die folgenden Teilbereiche abdecken, erworben werden:

  • mindestens ein Grundlagenkurs und
  • mindestens zwei Themenkurse.

Für beide Teilbereiche gilt, dass die Vielzahl der Kurse drei ECTS-Punkte umfassen.

Ergebnisse

Seit dem Sommersemester 2009 wurde das Kursangebot von anfangs vier auf mittlerweile 28 Kurse pro Semester sukzessive ausgebaut (Stand Wintersemester 2017/18). Dies bedeutet, dass sich mittlerweile jedes Semester ca. 400 Studierende an der Universität Tübingen dezidiert mit Themen der Nachhaltigen Entwicklung auseinandersetzen. Zusätzlich entstehen aus einzelnen Kursen direkt Folgeprojekte wie beispielsweise ein Permakulturgarten auf dem Campus und die Mehrwegbechergruppe tü-go, die mittlerweile Teil der regionalen Initiative Besser Bechern ist. Darüber hinaus entstehen aus Kursen auch Veröffentlichungen, die der Stadtbevölkerung zur Verfügung gestellt werden, wie der im Wintersemester 2017/18 erarbeitete Stadtplan zum zivilgesellschaftlichen Engagement für Geflüchtete. Aus den Evaluationen geht hervor, dass bei nahezu 85 % der Studierenden die Motivation durch den jeweiligen Kurs gestiegen ist, sich im weiteren Verlauf des Studiums verstärkt mit Fragen einer nachhaltigen Entwicklung zu beschäftigen.

Implementierungsstrategie

Das inter- und transdisziplinäre Kursprogramm Studium Oecologicum wird seit dem Sommersemester 2009 (unter dem Schwerpunkt „Nachhaltigkeit“) vom Career Service in Kooperation mit der Studierendeninitiative „Greening the University“ und dem Internationalen Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) angeboten. Es entstand als eines der Kernprojekte im Rahmen des von „Greening the University“ ab 2007 angestoßenen Nachhaltigkeitsprozesses an der Universität Tübingen. Anfänglich wurde es inhaltlich und methodisch von Studierenden der Initiative konzipiert und organisiert (Themensetzung, Referent_innensuche, Qualitätssicherung etc.) und durch den Career Service organisatorisch unterstützt. Mittlerweile ist das Studium Oecologicum vollumfänglich institutionalisiert, d.h. alle Seminare werden vom Career Service und einer Projektstelle, die am IZEW angesiedelt ist, konzipiert und organisiert.

SoSe 2008: Erstellung eines Konzeptpapiers „Studium Oecologicum“

Januar 2009: Gespräch mit Leiter des Career Service und Freigabe von Geldern zum Veranstalten von Kursen

SoSe 2009: Start des Studium Oecologicums mit vier Seminaren

Ab SoSe 2009: Sukzessiver Ausbau des Kursangebots

2010: Auszeichnung des Studium Oecologicums als vorbildhaftes Projekt der UN-Dekade Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)

WiSe 2010/2011: Entwicklung von Leitlinien für die Qualitätssicherung

WiSe 2011/2012: Einrichtung einer Projektstelle für die Betreuung des Studium Oecologicums über das Projekt ESIT (Erfolgreich Studieren in Tübingen), bis 2020 finanziert

Begünstigende Faktoren:

  • Zu Beginn bestand, seitens des Career Service, eine relative leichte Verfügbarkeit von Geldern (Restmittel aus Studiengebühren mussten ausgegeben werden).
  • Mit dem Career Service und seinem fakultätsübergreifenden Studienprogramm „Studium Professionale“ waren bereits Strukturen vorhanden, welche direkt für ein interdisziplinäres Seminarprogramm genutzt werden konnten.
  • Bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung gewährte der Career Service ein sehr hohes Maß an Freiheit (Themensetzung, Referent_innen, Honorare, etc.).

Bezüglich der inhaltlichen Ausgestaltung gewährte der Career Service ein sehr hohes Maß an Freiheit (Themensetzung, Referent_innen, Honorare etc.).

Herausforderungen:

  • Die Zusage über Gelder erfolgte innerhalb der ersten vier Jahre jeweils nur für ein Jahr, was zu einer gewissen Unsicherheit führte. Andererseits hat die jährliche Beantragung von Mitteln aus dem Studiengebührentopf dazu geführt, mittels eines Berichts die Fortschritte des Studium Oecologicums zu evaluieren und das Programm damit permanent qualitativ weiterzuentwickeln.
  • Die relativ spät erfolgte Institutionalisierung – also das Abgeben der Hauptverantwortung und -organisation dieses immer größer werdenden Projektes in die Hände der Universität – war zumindest problematisch: Da das Projekt über mehrere Semester sehr schnell wuchs und sehr komplex wurde, fiel es damals neu zur Initiative gestoßenen Studierenden schwer, sich gleich von Beginn an einzubringen.
  • Kontinuität des studentischen Engagements: Mittlerweile ist „Greening the University“ keine Studierendeninitiative mehr und hat sich daher aus dem Studium Oecologicum zurückgezogen. Der Bezug zu engagierten Studierenden wird aber weiterhin aufrechterhalten, vor allem themenbezogen (wie z.B. mit den Initiativen Papierpilz, studentische Lokalgruppe C2C, youmanity etc.).

Erfahrungsbericht

Das Projekt wird lokal sehr gut aufgenommen. Die Anzahl der Kurse ist über die Zeit kontinuierlich gewachsen. Sie erfreuen sich stets einer hohen Beliebtheit und sind entsprechend in vielen Fällen überbucht. Auch bestehen insgesamt sehr hohe Zufriedenheitswerte mit den Kursinhalten, der methodischen Umsetzung und der fachlichen Qualität der Referent_innen. Das Studium Oecologicum hat mehrere Nachahmer_innen quer durch die Bundesrepublik gefunden. Allerdings gilt es zu beachten, dass diese nicht zwangsläufig das Projekt eins zu eins in seiner Tübinger Form implementiert haben. So verfügt beispielsweise die Universität Göttingen über ein Studium Oecologicum, welches allerdings zum überwiegenden Teil bereits bestehende disziplinäre Veranstaltungen zu Nachhaltigkeitsthemen zusammenführt. Des Weiteren bietet das Green Office der Universität Konstanz (siehe S. 104) in Kooperation mit deren SQ-Zentrum seit dem Wintersemester 2017/18 das Nachhaltigkeitszertifikat „qualifikation N“ an, das an das Tübinger Zertifikat Studium Oecologicum erinnert. Die Konstanzer Variante unterscheidet sich von der Tübinger vor allem darin, dass die Studierenden neben einem Grundlagenseminar und drei themenspezifischen Kursen zusätzlich ein Projekt planen, umsetzen und dokumentieren müssen.

Kernprinzipien

  • Durch eine Studierendeninitiative initiiert, organisiert und später institutionalisiert
  • Ausschließlich Seminare zu Themen der Nachhaltigen Entwicklung mit explizitem Bezug zum BNE-Konzept der Gestaltungskompetenzen nach de Haan (Institut Futur, FU Berlin).
  • Neu konzipierte, zusätzliche Seminare und damit kein „relabeling“ bestehender Veranstaltungen
  • Einbindung vieler externer Dozierender zur Gewährleistung einer hohen Themenund Akteur_innen-Vielfalt
  • Zugänglich für Studierende nahezu aller Fachrichtungen durch Anbindung an zentrale Studieneinrichtung (Career Service)
  • Interdisziplinarität der Teilnehmer_innen
  • Transdisziplinarität durch Einbindung von Expert_innen aus der Praxis und Öffnung ausgewählter Kurse für (nicht-studentische) Bürger_innen
  • Team-Teaching als gelebte Praxis vieler Kurse
  • Flexible Vergütungsstrukturen zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und von Team-Teaching
  • Anrechenbarkeit der erworbenen ECTS-Punkte als Schlüsselqualifikation
  • Zusätzliches BNE-Zertifikat „Studium Oecologicum”