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Ressourcen / Good Practice

Studium Fundamentale Nachhaltigkeit

Inhalt

Das Studium Fundamentale Nachhaltigkeit ist ein von Studierenden selbstorganisiertes Seminar. Es verfolgt das Ziel, Studierenden eine praktische Auseinandersetzung mit dem Konzept nachhaltiger Entwicklung zu ermöglichen. Neben einer thematisch einführenden Ringvorlesung stellen mit Praxispartner_innen durchgeführte Projekte den Kern der Veranstaltung dar.

Kontext

Nach dem kurzzeitigen Scheitern eines Pilotprojekts Studium Fundamentale (StuFu) Nachhaltigkeit im Jahr 2004 wurde die Idee 2006 von der Studierenden-Gruppe AG Nachhaltigkeit wieder aufgegriffen. Seit 2007 findet nun jedes Semester die Lehrveranstaltung Nachhaltigkeit im Rahmen des StuFu statt. Sie wird von einer wechselnden Gruppe von fünf bis sieben Studierenden organisiert (Orga-Team). Betreut wird die Lehrveranstaltung von drei bis vier (akademischen) Mentor_innen, die bei der Erarbeitung der Ringvorlesungen und der Betreuung der Praxispartner_innen mitwirken und denen die Benotung u.a. der Reflexionsberichte der Studierenden obliegt.

Das StuFu ist ein verpflichtender Teil aller Bachelorstudiengänge an der Universität Erfurt. Mindestens 30 Leistungspunkte (LP) müssen dabei absolviert werden. Ziel des Studium Fundamentale ist es, „spezifische methodisch interdisziplinäre Grundlagen zu erlernen und Kompetenzen zu entwickeln, den Horizont zu erweitern, über den Tellerrand zu schauen sowie zu streiten, um gemeinsam voranzukommen.“ Neben Seminaren, die von zwei Vertreter_innen unterschiedlicher akademischer Disziplinen organisiert und angeboten werden, stellen durch Studierende selbstorganisierte Lehrveranstaltungen dabei ein weiteres, bewusst gefördertes Handlungsfeld dar. Ein Angebot in diesem Handlungsfeld ist das StuFu Nachhaltigkeit.

Ziele

  • Auseinandersetzung auf einer praktischen Ebene mit dem Konzept nachhaltiger Entwicklung
  • Sensibilisierung und Umsetzung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Ressourcen
  • Fördern von Eigeneinsatz, Engagement und Verantwortungsübernahme als Teil der Persönlichkeitsbildung
  • Leisten eines aktiven Beitrags zu einer nachhaltigen Entwicklung
  • Blick über den universitären Tellerrand
  • Diskussion über die Möglichkeiten der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) an Bildungseinrichtungen sowie Einrichtungen und Vereinen der Zivilgesellschaft in Erfurt
  • Dialog zwischen Studierenden und Lehrenden, Bürger_innen auf der Basis konkreter gesellschaftlich relevanter Frage- und Problemstellungen

Strukturen und Inhalte

Das ein Semester dauernde Seminar setzt sich aus drei Ringvorlesungen, der Projektfindung, der Projektplanung und -durchführung sowie der Projektreflexion zusammen. Die Projektarbeit folgt konzeptionell dem Ansatz des „Service Learning“: Studierende erwerben durch praktische Erfahrungen in gesellschaftlich relevanten Projekten und deren Reflexion fachliche, methodische, soziale und personale Kompetenzen. Zugleich wird auch auf Seiten der Praxispartner_innen neues Wissen geschaffen, so dass auch für sie ein gesellschaftlicher Nutzen entsteht. Zentrale Veranstaltungen zur Diskussion und Reflexion der Projektarbeit sind dabei das Gipfeltreffen und die Projektmesse.

Ringvorlesungen

Im Zuge der drei Ringvorlesungen werden verschiedene Dimensionen von nachhaltiger Entwicklung und Bildung für nachhaltige Entwicklung betrachtet. Sie sollen eine theoretische Grundlage für die Teilnehmenden entlang der fünf Ebenen nachhaltiger Entwicklung – Ökologie, Ökonomie, Soziales, Kultur, Politik – schaffen. Die Vorlesungen finden öffentlich statt und sind damit frei zugänglich. Eingeladen werden dazu Professor_innen sowie externe Redner_innen.

Projektfindung und Gipfeltreffen

Die Praxispartner_innen stellen sich in einem Projektworkshop den Teilnehmenden vor, erläutern ihre Arbeit, stellen erste Projektideen vor und geben die Möglichkeit, diese Projektideen zu besprechen. Alternativ bringen Studierende eigene Projektvorschläge ein. In den nächsten Wochen folgt die Konkretisierung dieser Ideen sowie erste Planungen an einem Projekt. Diese werden dann beim sogenannten Gipfeltreffen den anderen Teilnehmenden vorgestellt und diskutiert. Neben Projekten mit Praxispartner_innen können auch eigene Ideen umgesetzt werden. Beispiele für die Projekte werden unter „Ergebnisse“ angeführt.

Projektmesse

Die Projektmesse stellt den Abschluss des Semesters. Die Teilnehmenden präsentieren und reflektieren ihre Projekte und Ergebnisse im öffentlichen Rahmen und tragen sie damit aus der Universität hinaus.

Wissenschaftlicher Reflexionsbericht

Der Lern- und Erfahrungsprozess der Teilnehmenden während des Semesters wird schließlich individuell in einem Bericht reflektiert. Dabei soll sich nicht nur mit dem Projektverlauf und mit dem eigenen Entwicklungsprozess kritisch auseinandergesetzt werden, sondern auch mit den thematischen Hintergründen nachhaltiger Entwicklung. Dieser Bericht stellt zusammen mit der Präsentation der Projekte die Prüfungsleistung dar.

Organisiert wird die Lehrveranstaltung von Studierenden, welche dafür ebenfalls Leistungspunkte (LP) erhalten. Diese Gruppe aus fünf bis sieben Studierenden wird von Dozent_ innen unterstützt, welche die Rolle von Mentor_innen einnehmen und die Prüfungsleistung abnehmen.

Ergebnisse

In den letzten Jahren wurden zwei Veröffentlichungen von Seiten der Organisator_innen herausgegeben, die einen tieferen Einblick in das Projekt erlauben. Aus dem Jahr 2010 stammt eine Broschüre, die einen Überblick über die Veranstaltung gibt, und aus dem Jahr 2013 eine sogenannte Best-Practice-Broschüre, die zwölf im Sommersemester desselben Jahres durchgeführte Projekte detailliert vorstellt [1].

Werden durch das Seminar pro Semester um die 50 Studierenden als Teilnehmende und bis zu sieben als Organisator_innen erreicht, multipliziert sich die Reichweite durch die durchgeführten Projekte um ein Vielfaches. So reichte die Spannweite der Personen, an die sich die Projekte aus dem Sommersemester 2013 richteten, von klar definierten Größen wie einzelnen Schulklassen oder -stufen bis hin zu allen interessierten Bürger_innen in Erfurt oder weltweit.

Das Projekt ist in den Jahren 2008/2009 und 2011/2012
als Modellprojekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ ausgezeichnet worden [2]. Zudem wurde das Projekt im Juni 2012 im Rahmen des Deutschen Aktionstages Nachhaltigkeit mit einem Preisgeld in Höhe von 300 Euro ausgezeichnet.

Implementierungsstrategie

Das Projekt Nachhaltigkeit im Studium Fundamentale an der Universität Erfurt beruhte zunächst gänzlich auf dem Engagement einzelner Personen. Sie waren es, die diese Veranstaltung jedes Semester vorbereitet, organisiert und umgesetzt haben. Nicht zuletzt waren sie auch für die Werbung und Außendarstellung in einem universitären und außeruniversitären Feld verantwortlich. Diese Situation hat sich sowohl verstetigt, verändert als auch intensiviert durch einen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung 2011 ausgeschriebenen Wettbewerb zur Förderung von lokalen Bildungs- und Kompetenznetzwerken. Durch Förderung des BMBF hat sich 2012 das InnoNet BNE gegründet. Dieses Innovationsnetzwerk BNE vereint Akteure aus den Erfurter Hochschulen (Universität und Fachhochschule), Vertreter_innen der Orga-Teams, also der Studierenden, und Vertreter_innen der unterschiedliche Praxispartner_innen. Das InnoNet sichert nicht nur Kontinuität zwischen den einzelnen Akteursgruppen, sondern ermöglicht auch leichte Abstimmung, Kooperation, Verlässlichkeit und die flexible Steuerung von auftretenden Schwierigkeiten. Außerdem ist das Netzwerk auf Ausweitung eingestellt und kann (wie die bisherigen Erfahrungen gezeigt haben) problemlos neue Praxispartner_innen integrieren.

Dadurch ist das InnoNet BNE und damit auch das Studium Fundamentale Nachhaltigkeit zu einem festen Bestandteil des Erfurter Lehr- und Lernangebotes geworden, das über die Grenzen der Universität in die Bürgergesellschaft ausstrahlt und dort auch wahrgenommen wird. Gleichwohl bleibt auch weiterhin gültig (und wichtig), dass ohne den Einsatz einzelner Personen das Studium Fundamentale Nachhaltigkeit nicht denkbar wäre. Gerade deshalb wäre eine bessere Institutionalisierung durch die Hochschulen, etwa durch kleine Stellenkontingente, durchaus hilfreich. Aktuell gibt es im InnoNet BNE Überlegungen einen Studiengang „Demokratie und Nachhaltigkeit“ im Bachelor und auch für Lehramt aufzubauen.

Erfahrungsbericht

Alle Beteiligten im Studium Fundamentale Nachhaltigkeit und im InnoNet BNE an der Universität Erfurt haben gelernt – voneinander und miteinander. Das ist der große Gewinn dieser Kombination aus Hochschule, Zivilgesellschaft und Wirtschaft, aus Theorie und Praxis, aus Lehren/Lernen und Umsetzen. Alle Beteiligten bekommen im Laufe des Semesters andere Perspektiven geboten und erfahren eine Anreicherung und Ausweitung der eigenen Sichtweisen.

Studierende, die oftmals nur diffuse Vorstellungen von Nachhaltigkeit haben, erkennen die verschiedenen Facetten und Verknüpfungen dieses Konzepts, seine Erschließungskraft und Fruchtbarkeit. Vor allem aber wird sichtbar, wie eine kluge Heuristik zu einem verantwortungsvollen Handeln im Hier und Jetzt anleiten kann. Studierende wie Praxispartner_innen sehen und erfahren, welchen Beitrag das eigene Handeln in (vermeintlich) kleinen Vor-Ort-Projekten zur nachhaltigen Gestaltung unserer Welt leisten kann. In unterschiedlichen Arenen (Konferenzen, Tagungen, Netzwerke der Universitäten zum Service Learning) versuchen wir zudem, unser Konzept anzubieten, zu empfehlen und mit neuen Ideen anzureichern.

Kernprinzipien

  • Organisiert von Studierenden
  • Zugänglich für Studierende aller Fachrichtungen im Rahmen des Studium Fundamentale
  • Zusammenarbeit mit Praxispartner_innen aus Bildungsinstitutionen, Zivilgesellschaft, Unternehmen und Stadtverwaltung
  • Aufbereitung des Wissens für eine breite Öffentlichkeit
  • Verbindung von theoretischem Wissen, praktischer Umsetzung und systematischer Reflexion entlang von Qualitätskriterien einer BNE
  • Entwicklung und Erfahrung von Selbstwirksamkeit und Gestaltungskompetenz
  • Anrechenbarkeit der Leistungspunkte für Teilnehmende sowie Organisator_innen