Inhalt
Kontext
Die Jurte (Silence Space) ist ein technik- und konsumfreier Raum für Entschleunigung und Kreativität, um soziale Resilienz zu fördern. Außerdem wird die Jurte als Raum für Workshops und Kurse zu Achtsamkeit, Bewusstseinsförderung und anderen Themen rund um eine sozial-ökologische Transformation genutzt.
In einer beschleunigten und wachstumsorientierten Welt ermöglicht der Silence Space einen Ort der Stille, des erfahrungsbasierten Lernens, der Reflexion und des Austauschs an einem öffentlichen Ort. Eine Transformation auf der inneren und damit einhergehend äußeren Ebene wird unterstützt. Denn wie sollen wir Change Agents werden und kreative Lösungen im Umgang mit den Herausforderungen unserer Zeit finden, wenn wir uns lediglich zwischen Terminen, Leistungserbringung und To-do-Listen bewegen? Wann können wir uns selbst reflektieren, uns unserer Handlungen und ihrer Konsequenzen bewusst werden? In Stille und Nichts identifizieren wir eine Wiege der Kreativität und des Bewusstseins: reflexive Qualitäten, die im digitalen Zeitalter häufig untergehen.
In unserem Nachhaltigkeitsverständnis verfolgt der Silence Space einen relationalen Ansatz: Alles steht in Beziehung zueinander. Es ist wichtig, alle Bereiche der Nachhaltigkeit in den Diskurs einzubeziehen. Nachhaltigkeit kann nicht nur in Zahlen und Daten ausgedrückt werden. Vielmehr geht es um eine Haltung. (Geistiges) Wohlbefinden und Suffizienz können nicht gemessen werden und sind doch ausschlaggebend für ein intrinsisch motiviertes nachhaltiges Leben. Die Beziehungsebene zu uns selbst spiegelt die Beziehungsebene zum Anderen. Eine Transformation hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft muss die soziale und individuelle Dimension berücksichtigen, da innere Veränderungen und äußere Veränderungen in Wechselwirkung zueinanderstehen.
Die Umstände, unter denen die Idee des Silence Space geboren werden konnte, hat Prof. Dr. Heike Walk ermöglicht. Sie kam im Wintersemester 2017 in unseren Masterstudiengang “Global Change Management” und hat das Seminar “Transformation Pioneers” vorgestellt. In diesem Seminar konnten wir keine Leistungspunkte erwerben, aber uns bot sich die Gelegenheit, ein Projekt zu entwickeln, das Bildung und Nachhaltigkeit an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) bereichert.
Uns war es ein Bedürfnis, Achtsamkeit, dem inneren Wandel und Körperwahrnehmung im Nachhaltigkeitskontext einen Raum zu geben. Der Begriff der Transformation ist omnipräsent, aber für uns war das Potential der Selbsttransformation im Diskurs unterrepräsentiert. Im Kern geht es um das Kultivieren einer Geisteshaltung, die Nachhaltigkeit nicht bloß als dehnbares und damit häufig entwertetes Konzept versteht, sondern reflektiertes nachhaltiges Handeln fördert. Unsere These stand von Anfang an fest: Der innere Wandel braucht mehr Beachtung, um auch den äußeren Wandel besonnen gestalten zu können – dafür braucht es Zeit und Raum.
Wir machten uns auf die Suche nach einem Raum an der Hochschule, der Stille und das dazugehörige Konzept zulässt. Wir wurden an der kleinen Hochschule mit ihrem begrenzten Raum nicht fündig und so kam es zur Idee des Jurtenbaus. Die Umsetzung gelang im Rahmen eines Studierendenprojekts der Projektwerkstatt Commons, die selbstorganisierte Studierendenprojekte ermöglichte, die sich mit der gemeinschaftlichen Nutzung von Gemeingütern beschäftigen. Die Projektwerkstatt wird als Modul an der HNEE angeboten und kann von Studierenden vieler Studiengänge als Wahlpflicht oder Zusatzmodul belegt werden. Daraus sind beispielsweise der Schenke-Schrank am Stadtcampus und weitere inspirierende Suffizienz-Projekte hervorgegangen. Dort führte uns Angelika Barral in die Technik des Jurtenbaus ein und wir setzten anschließend das Gelernte binnen einer dreimonatigen Bauphase mit ca. 15 aktiven Menschen selbst in der Praxis um.
Doch zuvor galt es, Meinungen von Hochschulmitgliedern der HNEE zur Idee einzuholen. Dafür haben wir Unterschriften gesammelt. Wir bekamen sehr viel positive Rückmeldungen und 250 Unterschriften von Lehrenden und Studierenden. Danach standen die Verhandlungen mit der Hochschulleitung. Es gelang uns, Fördergelder für den Silence Space einzuwerben. Zu erwähnen ist zudem, dass die Hochschulkommunikation von Anfang an den Prozess unterstützt hat, da sie stetig über uns berichtete. Der Gewinn des Engagement-Preises der Hochschule im Februar 2019 verschaffte uns weiter Rückenwind.
Ziele
- Der Silence Space gibt der Stille und Reflexion im Studienalltag einen Raum. Dieser Ort schärft das Bewusstsein, dass Veränderung in uns selbst beginnen kann.
- Selbstwirksamkeit und Selbstermächtigung sollen gestärkt werden. Diese Eigenschaften sind wesentlich für eine nachhaltige sozial-ökologische Transformation. Die Vision ist es, den Nachhaltigkeitsdiskurs durch die Dimension des Selbst zu bereichern.
Bezug zur Siffizienz
Die Jurte ist ein öffentlicher Raum, der allen Hochschulmitgliedern die Möglichkeit bietet, das Erlebte und Gelernte kritisch zu reflektieren. Dadurch entstehen neue Erkenntnisse und kreative Ideen. Als konsum- und technikfreier Ort wird das Bewusstsein für unsere Verhaltensmuster geschärft und kann so nachhaltig verändert werden. Mit den Veranstaltungsangeboten werden den Teilnehmenden Tools und Methoden wie Tiefenökologie, Gewaltfreie Kommunikation, Meditation, Achtsamkeit und Atemtechniken für einen bewussteren Umgang mit sich selbst und anderen vermittelt. Geplant sind außerdem Reflexionskreise zum Thema Stille im alltäglichen Leben und dem damit verbundenen transformativen Potential.
Aufbau und Inhalt
Die Silence Space AG besteht aus den folgenden Untergruppen:
- Bau- und Gestaltung
- Kommunikation
- Programmkoordination
Wir treffen uns regelmäßig im Plenum, um die aktuellen Vorgänge zu besprechen und uns auszutauschen. So haben wir in kürzester Zeit mit vielen Hochschulmitgliedern, die sich einbringen wollten, ein vielfältiges Programm auf die Beine gestellt. Hier organisieren wir auch die Instandhaltung und Optimierung der Jurte – etwa durch das Anbringen von Spinden und die Installation einer Infrarot-Heizung für die kalten Monate. Um solche Ausgaben zu finanzieren, fließen 10 % der Spendeneinnahmen der Workshops in die AG-Kasse.
Zeitliche Nutzung des Silence Space: 6:00 bis 9:30 Uhr und 17:30 bis 20:00 Uhr stehen als Zeitfenster für Workshops, Schulungen und Gesprächskreise zu Körperarbeit, Meditation und der sozial-ökologischen Transformation bereit. In den Zwischenzeiten ist der Silence Space ohne Programm ein Ort der Stille. Ein monatlicher Newsletter und ein Stundenplan in der Jurte informieren über das Programm.
Ergebnisse
Die Jurte ist seit Oktober 2019 für alle Hochschulmitglieder frei zugänglich und nutzbar. Da wir die eingebauten Infrarot-Heizungen so wenig wie möglich nutzen wollen, dient der Silence Space während der Wintermonate hauptsächlich als Raum für Workshops und Veranstaltungen. Derzeit werden ca. zehn Veranstaltungen pro Woche (darunter Yoga-Kurse, geführte Meditationen, eine Übungsgruppe zur Gewaltfreien Kommunikation und ein Thai-Massage-Kurs) mit einer variablen Anzahl an Teilnehmenden (ca. 5-15) angeboten.
Verstetigung
Der Silence Space wird zunehmend für anderweitige Veranstaltungen genutzt: etwa von den Projektwerkstätten an der Hochschule, dem Career Service, dem Gründungszentrum der HNEE und vom netzwerk nfür eine Konferenz. Dadurch wird die Jurte immer stärker in die Struktur der Hochschule integriert.
Studentische Partizipation
Die Jurte wird von einer Gruppe von Studierenden (Silence Space AG) basisdemokratisch selbst verwaltet. Die Arbeitsgruppe ist in drei Untergruppen unterteilt und trifft sich in der Regel einmal pro Monat. Derzeit sind etwa 15 Mitglieder in der AG aktiv.
Umsetzung
Einblicke
Von den Workshop-Gebenden haben wir stets sehr positives Feedback erhalten. Die Jurte wird als sehr angenehmer, ruhiger und entschleunigender Ort wahrgenommen. Allerdings war es für einige Veranstalterinnen nicht ganz leicht, die Workshops direkt mit Teilnehmerinnen zu füllen.
Zukunftsideen
Wir sind auf jeden Fall bestrebt, andere Hochschulen, Bildungseinrichtungen und Unternehmen dazu zu inspirieren, soziale Nachhaltigkeit stärker mitzudenken. Insbesondere Hochschulen sollten sich ihrer Leuchtturmfunktion im Hinblick auf Nachhaltigkeit und Achtsamkeit bewusst werden.
Die Silence Space AG kümmert sich bisher um das Weiterbestehen der Jurte. Darüber hinaus ist eine Kerngruppe von fünf Menschen als »Die Schleiereulen« bestrebt, das Projekt nach außen zu kommunizieren. Es bestand bereits Austausch mit dem netzwerk n (Bewerbung im Wandercoaching-Programm), der Universität Potsdam und der FH München. In Bezug auf Unternehmen haben wir letztes Jahr beim »Leadership Festival 2019« in Berlin einen Beitrag geleistet. Wir können uns gut vorstellen, dass Silence Space-Projekt voranzubringen und uns zu vernetzen, etwa mit dem Projekt »Achtsame Hochschulen«.
Bisherige Erfolge
- abgeschlossener Bau der Jurte
- laufendes Programm seit Oktober 2019