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Ressourcen / Good Practice

Seminar „Über den Tellerrand – Partizipative Forschung mit Menschen aus der Region“

Universität Vechta

Inhalt

Seminar „Über den Tellerrand – Partizipative Forschung mit Menschen aus der Region“
Universität Vechta, Science Shop Vechta/Cloppenburg

Ziel des Seminars ist es, den Studierenden zu ermöglichen, durch partizipative Forschungsprojekte mit regionalen Praxispartner_innen gesellschaftlich relevante Forschung zu betreiben. Die Studierenden arbeiten an Forschungsfragen, die von den Praxispartner_innen im Seminar vorgestellt werden. Anschließend werden in den Projekten gemeinsame Lösungsmöglichkeiten entwickelt, die den beteiligten Praxispartner_innen bei ihrer eigenen Arbeit weiterhelfen.

Kontext

Das Seminar Über den Tellerrand – Partizipative Forschung mit Menschen aus der Region ist als inter- und transdisziplinäres Seminar Teil des studiengangübergreifenden Profilierungsbereichs der Universität Vechta. Im Profilierungsbereich, der den Erwerb insbesondere überfachlicher Kompetenzen ermöglichen soll, wird den Studierenden eine freie Wahl aus verschiedenen Modulen angeboten. Das Seminar ist Teil des Moduls „Regionale Forschungsprojekte zu nachhaltiger Entwicklung“ und wird seit dem Sommersemester 2016 angeboten. Entstanden ist das Seminar im Rahmen des EU-geförderten EnRRICH-Projekts (Enhancing Responsible Research and Innovation through Curricula in Higher Education), bei dem es um die Verankerung von verantwortungsvoller Forschung und Innovation in der Hochschullehre durch verstärkten Einbezug der Zivilgesellschaft (z.B. durch Wissenschaftsläden/Science Shops) geht.

Im Seminar werden Themen wie z.B. partizipative Forschung und Transdisziplinarität zuerst theoretisch erschlossen und finden dann in Zusammenarbeit mit regionalen Praxispartner_innen in studentischen Forschungsprojekten Anwendung.

Initiiert wurde das Seminar in Zusammenarbeit mit dem Science Shop Vechta/Cloppenburg. Die Einrichtung setzt seit 2012 wissenschaftliche Forschung mit partizipativen, teilhabenden Wissenschaftsmodellen an der Universität Vechta um und möchte dabei allen einen offenen Zugang zu Wissenschaft ermöglichen. Der Science Shop der Universität ist dabei eine Schnittstelle zwischen der Bevölkerung und den Forschungseinrichtungen der Region. Dabei werden z.B. forschungsrelevante Fragen aus dem Alltag aufgegriffen und an Ansprechpartner_innen in der Wissenschaft herangetragen, um so direkt auf Forschungsbedarfe der Zivilgesellschaft zu reagieren.

Ziele

Im Seminar geht es um die Erforschung von durch regionale Praxispartner_innen artikulierten zivilgesellschaftlichen Fragestellungen. Diese werden von interdisziplinären studentischen Gruppen im Rahmen von Forschungsprojekten über ein Semester untersucht. Die studentischen Projekte verknüpfen dabei gesellschaftliche Verantwortung mit Forschung und leisten somit einen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung.

Ein weiteres wesentliches Ziel ist dabei die praxisrelevante Aufarbeitung von Themen wie „Responsible Research and Innovation“ (RRI), Partizipation, Transdisziplinarität, partizipative Forschung und Citizen Science. Diese im Seminar gewonnenen theoretischen Erkenntnisse werden im Bezug auf Forschungsprozesse zu einer nachhaltigen Entwicklung praktisch angewendet. Zudem findet im Seminar eine intensive Auseinandersetzung mit dem Konzept der nachhaltigen Entwicklung statt. Die verschiedenen studentischen Forschungsprojekte behandeln je nach Themenstellung und Praxispartner_in verschiedene Dimensionen von Nachhaltigkeit (z. B. ökonomisch: Einkaufsverhalten bezüglich nachhaltiger Produkte; sozial: Bewegungsangebote für Senior_innen; kulturell: Naturwahrnehmung ; uvm.).

Strukturen und Inhalte

Das Seminar wird mit vier Semesterwochenstunden jeweils für die Dauer eines Semesters (14 Wochen) angeboten. Es ist Teil des Profilierungsbereichs der Universität Vechta und somit für alle Studiengänge und -fächer geöffnet. Für die erfolgreiche Teilnahme an dem Seminar werden sechs Leistungspunkte vergeben. Neben dem theoretischen Input liegt das Hauptaugenmerk des Seminars auf den studentischen partizipativen Forschungsprojekten, welche durch einen Forschungsbericht und eine Präsentation der Forschungsergebnisse abgeschlossen werden. Bei der Präsentation der Ergebnisse sind die Praxispartner_innen im Seminar zu Gast, ebenso wie bereits zuvor bei der Vorstellung der Fragestellungen. Ansonsten erfolgt der Austausch mit den Partner_innen selbstständig durch die Studierendengruppen.

Zentrale Inhalte des Seminars sind zu unterteilen in Theorie und Praxis. Bereits zu einer der ersten Sitzungen kommen die Praxispartner_innen in den Kurs, um ihre Forschungsthemen vorzustellen. Im Anschluss daran erfolgt die selbstständige Einteilung der Studierenden in Forschungsgruppen (dabei kann ein Thema von mehreren Gruppen untersucht werden, lediglich die Größe der Gruppen wird durch die Dozent_innen begrenzt). Die nachfolgenden Sitzungen unterteilen sich in anfängliche Theorie- und spätere Praxisanteile. Die Theorieteile dienen vor allem dazu, die heterogenen Studierenden mit ihren unterschiedlichen fachlichen Hintergründen und unterschiedlichen Forschungsvorerfahrungen auf einen gemeinsamen Stand zu bringen. Die Praxisanteile stehen den Studierenden anschließend zur freien Gestaltung ihrer Gruppenarbeit zur Verfügung. Theorieinputs gibt es zu den Themen Responsible Research and Innovation (RRI), partizipative Forschung, Wissenschaftsladenarbeit, Nachhaltigkeit, Forschungsethik sowie Transdisziplinarität.

Das Seminar wird am Ende jedes Durchgangs evaluiert. Zusätzlich wird schon während des Semesters die Chance gegeben, Wünsche bezüglich thematischer Inhalte zu äußern und Rückmeldungen zum bisherigen Seminarablauf zu geben. Auch die Praxispartner_innen werden nach Ende der Forschungsprojekte bezüglich ihrer Zufriedenheit mit den studentischen Forschungsgruppen, den Forschungsergebnissen, aber auch dem Seminar insgesamt befragt. Die Tatsache, dass ein Großteil der bisherigen Partner_innen Interesse bekundet hat, auch weiterhin mit dem Seminar zusammenzuarbeiten (in kommenden Semestern mit neuen Forschungsfragen und neuen studentischen Gruppen), zeigt die grundsätzliche Zufriedenheit der Partner_innen.

Ergebnisse

Das Seminar wurde seit Sommersemester 2016 bisher drei Mal angeboten. Dabei wurde insgesamt mit vier verschiedenen Praxispartner_innen zusammengearbeitet, die größtenteils an mehreren Durchläufen mit diversen Fragestellungen partizipierten. 58 Studierende arbeiteten dabei insgesamt an neun partizipativen Forschungsprojekten [1] mit unterschiedlichen Fragestellungen. Die von den Studierenden entwickelten Lösungsansätze konnten dabei von den Praxispartner_innen größtenteils adaptiert werden und befinden sich nun teilweise in der Umsetzung.

Durch die Mitwirkung in dem Seminar lernen die Studierenden, gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen und anderen Praxispartner_innen ein eigenes Forschungsprojekt zu entwickeln und umzusetzen (Forschungsfrage, Forschungsdesign, Datenerhebung und auswertung). Dabei verbessern sie auch ihre Fähigkeit, mit anderen Studierenden unterschiedlicher Fächer und Praxispartner_innen zusammenzuarbeiten und unterschiedliche disziplinäre sowie auch praktische Perspektiven aufeinander zu beziehen.

Implementierungsstrategie

Meilensteine

Begünstigende Faktoren

  • Zu Beginn der Implementierung des Seminars bestand im Profilierungsbereich ein Ungleichgewicht zwischen einer geringen Anzahl an Modulen und Lehrveranstaltungen und einer sehr starken Nachfrage auf Seiten der Studierenden. Daher war es sehr einfach, ein zusätzliches Modul einzuführen.
  • Der Science Shop Vechta/Cloppenburg verfügte als Anlaufstelle für die Zivilgesellschaft bereits über etablierte Kontakte mit zivilgesellschaftlichen Organisationen sowie Expertise zu partizipativer Forschung, Citizen Science und Community-Based Participatory Research sowie die Netzwerke der Wissenschaftsläden (wissnet, living knowledge), auf die problemlos zurückgegriffen werden konnte.
  • Ein Wechsel der Ansprechpartner_innen im Präsidium der Universität verbunden mit einer neuen inhaltlichen Ausrichtung, welche verstärkt auf Third Mission fokussiert ist, begünstigte zudem die Akzeptanz innerhalb der Universität.

Herausforderungen

  • Auswahl geeigneter Themen für die Forschungsprojekte, die im gegebenen Zeitrahmen zu bearbeiten sind
  • Teilweise intensive Betreuung der Studierendengruppen durch die Dozent_innen nötig

Erfahrungsbericht

Das Seminar wird von allen Seiten sehr gut angenommen. Seit seiner Implementierung sind die Studierendenzahlen gleichbleibend, dabei herrscht eine Teilnehmerbeschränkung aufgrund der erhöhten Betreuungsleistung durch die Lehrenden in den freien Lernformaten. Studierende erachten insbesondere die Tatsache, dass ihre Forschung für jemanden erfolgt und dabei einen gemeinnützigen Zweck erfüllt als sinngebend und motivierend. Auch andere Lehrende der Universität sehen die Vorteile des Kurses und sind von den Aspekten des Service Learning und Forschenden Lernens überzeugt. Einige Studierende bleiben auch nach Projektende weiterhin im Austausch mit den Praxispartner_innen. Es gibt erste Impulse, eine vertiefende Forschung z.B. in Form von Abschlussarbeiten zu partizipativen Themen gemeinsam mit externen Partner_innen durchzuführen. Zudem wird das Seminar voraussichtlich im Wintersemester 2018/19 erneut angeboten. Die Praxispartner_innen haben bereits einhellig kundgetan, dass sie weiterhin stark an dieser Form der Zusammenarbeit interessiert sind.

Beispiele für Rückmeldungen der Studierenden aus den Evaluationen sind die Antworten auf die Frage: „Was ist am Kurs besonders gut?“

  • Dass das Ergebnis einen „Wert“ besitzt
  • Der Freiraum, der gegeben wurde
  • Praxisbezug
  • Relevanz der Forschung
  • Zusammenarbeit mit Praxispartnern

Kernpinzipien

  • Offenheit für Studierende aller Fachrichtungen
  • Anrechenbarkeit der Credit Points
  • Lehrende als Lernbegleiter und als vermittelnde Instanz zwischen Studierendengruppen und Praxispartner_innen
  • Offenheit gegenüber allen Beteiligten (Erwartungsmanagement, Hinweis auf eventuell unterschiedliche Arbeitsweisen/ sprachliche Barrieren)
  • Freiheit der Studierenden bezüglich Forschungsprojekten/-themen, Forschungsmethodik und Wahl der Partner_innen