Inhalt
Die SchülerUni Nachhaltigkeit + Klimaschutz wurde 2005 vom Forschungszentrum für Umweltpolitik (FFU) als themenfokussiertes Bildungsformat für Berliner Schulen entwickelt. Seit 2009 öffnet das FFU zweimal im Jahr den Campus der Freien Universität Berlin (FUB) und macht die abstrakte Themenwelt einer nachhaltigen Entwicklung für Kinder der 5. und 6. Klassen und deren Lehrkräfte mit Workshops und Fortbildungen greif- und erlebbar. Ziel der SchülerUni ist es, Veränderungsprozesse hin zu einer neuen Lehr- und Lernkultur im Sinne der 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedeten Agenda 2030 anzustoßen. Pro Jahr werden rund 3.000 Kinder und 300 Lehrkräfte aus 100 Berliner Schulen erreicht.
Kontext
Das Bildungsformat der SchülerUni Nachhaltigkeit + Klimaschutz ist am FFU am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der FUB angesiedelt. Das Institut ist im Bereich der vergleichenden und internationalen Umweltpolitikforschung und der Forschung zur nachhaltigen Energiepolitik tätig. Die Grundidee der SchülerUni wurde 2005 als Pilotprojekt mit dem Ziel entwickelt, die bestehenden Wissens- und Kompetenzdefizite hinsichtlich der Vermittlung von Schlüsselthemen einer nachhaltigen Entwicklung in Grundschulen zu schließen und Kooperationen zwischen Schulen, Universität und außerschulischen Lernorten zu befördern. Das FFU hat mit der SchülerUni ein weitverzweigtes akademisches und zivilgesellschaftliches Bildungsnetzwerk aufgebaut, das die strukturelle Verankerung der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) unterstützt. Mit dem Projekt hat sich an der Freien Universität ein verlässlicher und anerkannter BNE-Lernort herausgebildet.
Das Bildungsformat gehört mit seiner langjährigen Projektgeschichte zu den BNE-Pionieren.
Ziele
Lehren & Lernen für eine zukunftsfähige Welt ist das Motto der SchülerUni. Jeweils im Frühjahr und Herbst öffnet das FFU in der vorlesungsfreien Zeit den Campus der FUB für Berliner Schulen. Eine Woche lang stehen die Schlüsselthemen einer nachhaltigen Entwicklung auf dem Programm. An sechs verschiedenen Lernorten auf dem Campus bietet das FFU pro SchülerUni rund 75-80 Mitmachworkshops (drinnen und draußen) an. Mit den Programmen verwandelt das FFU die akademischen Hörsäle, Seminarräume, die Wetterstation und den Botanischen Garten in Mitmachlabore und Kreativwerkstätten für Schulkinder und Lehrkräfte. Alle Workshops sind erlebnis- und handlungsorientiert. Mit den Mitmachprogrammen für Kinder und den begleitenden Fortbildungen für Lehrkräfte unterstützt das FFU Berliner Schulen bei der Gestaltung von Transformationsprozessen hin zu einer neuen Lehr- und Lernkultur und vermittelt am Beispiel guter Praxis, wie die 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen praktisch umgesetzt werden können. Das Ziel der SchülerUni ist es, die Einbindung zentraler Themen der nachhaltigen Entwicklung wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz, Partizipation, Perspektivwechsel, Empathie, Kreativität, vernetztes und kritisches Denken zu unterstützten und die Zusammenarbeit mit außerschulischen Berliner Lernorten zu fördern.
Strukturen und Inhalte
Das FFU bietet im Rahmen der SchülerUni zwei Module an:
Modul 1: Ein handlungsorientiertes und interaktives Programm für 5. und 6. Klassen
Modul 2: Begleitende BNE-Fortbildungen für Lehrkräfte und Multiplikator_innen
Zu Modul 1: Programm für 5. und 6. Klassen
Das einwöchige Programm hat eine offene Programmstruktur. Lehrkräfte können je nach Themeninteresse bzw. zeitlicher Flexibilität bis zu drei Einzelveranstaltungen für ihre Schulklassen auswählen. Die Workshops sind für jeweils eine Klasse konzipiert. Diese finden teilweise parallel an verschiedenen Orten statt und haben eine Dauer von eineinhalb bis zu vier Stunden.
Altersgemäß und bezogen auf die Lebenswelt der Schulkinder werden in den Workshops soziale, ökonomische, ökologische und kulturelle Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung behandelt. Ziel der handlungsorientierten Workshops ist es, den Schüler_innen die Themen einer nachhaltigen Entwicklung im Zusammenhang mit ihrem Lebens- und Konsumstil – etwa in Bezug auf Kleidung, Ernährung, Reisen und Hobbys – bewusst zu machen und gemeinsam Handlungsmöglichkeiten für den (Schul-)Alltag zu entwickeln.
Um die Schulkinder auch auf der emotionalen Ebene zu erreichen, werden Orientierungswissen und Wirkungszusammenhänge mit „Kopf, Herz und Hand“ vermittelt. Beim Basteln, Experimentieren, Forschen und kreativen Gestalten werden die komplexen Themen für Kinder greifbar. Gleichzeitig werden die Heranwachsenden mit vielen Beteiligungselementen animiert, eigenständig nach Lösungen und Handlungsansätzen zu suchen, die zu Hause und in der Schule anwendbar sind.
Die Qualität und Quantität der Inhalte sowie die Themen- und die Methodenvielfalt verdankt die SchülerUni einem transdisziplinären Referent_innenteam. Über die Jahre hat sich unter dem Dach der SchülerUni ein universitäres und regionales Bildungsnetzwerk aus rund 45 Institutionen und rund 100 außerschulischen (Umwelt- und) Bildungsakteuren sowie Kunst- und Kulturschaffenden herausgebildet, die die Workshops gemeinsam mit dem FFU konzipieren und durchführen. Besonders bewährt hat sich die inhaltliche Begegnung auf Augenhöhe: Einzelne Workshops werden von Schüler_innen (Peer-to-Peer) und von Lehramtsstudierenden der FUB angeleitet und durchgeführt. Um die Qualität der Inhalte und Methoden kontinuierlich zu verbessern, werden alle Workshops und Fortbildungen evaluiert. Einmal im Jahr bietet das FFU allen Referent_innen der SchülerUni eine train-the-trainer Qualifizierungsmaßnahme an.
Folgende Vermittlungsmethoden haben sich bewährt:
- Naturwissenschaftliche Experimente rund um die Erneuerbaren Energien
- Rundgänge im Wettergarten, in der Mensa, auf dem Solardach, im Botanischen Garten (zu den Themen Wetter, Klima(wandel), Erneuerbare Energien, Ernährung, Landwirtschaft, Entwicklungszusammenarbeit/Eine Welt)
- Kunst-, Kreativ- und Theaterworkshops (zu den Themen Energie und Ressourcenschutz, Konsum, gutes Leben)
- Zukunfts- und Schreibwerkstätten/Design Thinking und Creative Writing (zu den Themen Zukunft der Städte, Energiewende, das „gute“ Leben, Ressourcenschutz)
- Plan- und Rollenspiele (zu den Themen Klimawandel und Erhalt der Biodiversität)
Das FFU legt in der Konzeption großen Wert auf die Zusammenführung von kultureller Bildung und BNE. So wurden im Dialog mit Kulturschaffenden in den letzten fünf Jahren insgesamt 19 Workshopdesigns entwickelt, die den Kindern eine künstlerisch-ästhetische Auseinandersetzung mit den Themen ermöglichen.
Zu Modul 2: Begleitende Lehrer_innenfortbildung
Um Lehrkräfte für BNE bei der Weiterbehandlung und Vertiefung der Themen vor und nach den SchülerUnis zu unterstützen, werden vom FFU begleitende Fortbildungen angeboten. Die Trainings sind halbtägig angelegt und finden jeweils ca. vier Wochen vor der SchülerUni statt. In handlungsorientierten Lernstationen werden den Teilnehmenden von erfahrenen Bildungsakteur_innen innovative Vermittlungsmethoden, außerschulische Lernorte, Unterrichtseinheiten und -materialien vorgestellt. Zudem werden zukunftsweisende Praxisbeispiele aus der Schul- und Wissenschaftspraxis präsentiert. Die Fortbildungen werden offiziell von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Wissenschaft anerkannt. Die Teilnehmenden erhalten eine Teilnahmebescheinigung und werden bevorzugt bei der Anmeldung ihrer Schulklassen bei der SchülerUni berücksichtigt.
Alle der bisher 18 SchülerUni-Programme und 18 Lehrerfortbildungen (Stand März 2018) wurden evaluiert. Jeder einzelne Workshop wird von den Lehrkräften und jeweils drei Schüler_innen per Fragebogen ausgewertet. Die Evaluationsergebnisse werden zur Qualitätsoptimierung an die Trainer_ innen der Workshops weitergegeben. Die Ergebnisse dienen aber auch dazu, organisatorische Abläufe z. B. bei der Registrierung oder Betreuung der Schulklassen zu verbessern.
Ergebnisse
Mit gut 26.200 bisher erreichten Schüler_innen und mehr als 3.200 Lehrkräften (Stand März 2018), die die 18 Programme der SchülerUni Nachhaltigkeit + Klimaschutz und die 18 begleitenden Lehrfortbildungen seit 2008 besucht haben, beweist das Projekt eine große Breitenwirkung und ist in der Berliner Schullandschaft ein stark nachgefragtes Angebot. Lehrkräfte, die die SchülerUni seit Jahren besuchen, stellen mittlerweile ihre gute BNE Praxis (teachers train the teachers) in den begleitenden Fortbildungen vor. Auch Lehramtsstudierende sind als Referent_innen (u.a. zum Thema, wie die 17 SDGs in den Unterricht eingebunden werden können) in die Fortbildungen eingebunden. Aufgrund der langjährigen BNE-Expertise wird das Bildungsformat auf regionalen, nationalen und zunehmend auch internationalen Fachtagungen vom FFU regelmäßig vorgestellt.
Implementierungsstrategie
Die SchülerUni gehört zu den BNE-Pionieren in Deutschland. Das Projekt wurde von der Politikwissenschaftlerin Karola Braun-Wanke am FFU als Pilotprojekt entwickelt und über die Jahre weiter ausgebaut. Das Projekt hat viele Unterstützer_innen in der Universität und Zivilgesellschaft. Die SchülerUni befindet sich in der fünften Projektphase und wurde über die Jahre national und international gefördert. Ein Erfolgsfaktor ist, dass die SchülerUni gemeinschaftlich getragen wird: Seit 2015 wird sie finanziell unterstützt von den Klimaschutzpartner_innen des Landes Berlin, der Freien Universität Berlin, den Berliner Stadtreinigungsbetrieben, den Berliner Wasserbetrieben, der GASAG AG und der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.
2005 – 2006
Pilotprojekt „SchülerUni Energie und Klima T+20“ gefördert durch das BMUB
2008 – 2011
Europäisches Forschungsprojekt „Schools@University Climate and Energy (SAUCE)“ in Kooperation mit sechs internationalen Universitäten. Gefördert über das Programm „Intelligent Energy Europe“ der Europäischen Kommission
2011 – 2027
Als Bildungsmaßnahme wird die SchülerUni Nachhaltigkeit + Klimaschutz wiederholt in die Klimaschutzvereinbarung zwischen dem Land Berlin, der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz und der FUB aufgenommen. Diese Rahmung ebnet den Weg für eine Weiterführung der SchülerUni bis voraussichtlich Ende 2027
Seit 2016
Inhaltliche Einbindung von Lehramtsstudierenden in die SchülerUni durch Lehrkooperationen mit der Politikdidaktik am Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften und der Nachhaltigkeitsinitiative SUSTAIN IT! (siehe S. 118) (mit ECTS-Anerkennung und BNE Zertifikat)
Auszeichnungen 2011–2015
- 2009/2010, 2011/2012 und 2013/14 Auszeichnungen als „Offizielles Projekt der UN-Weltdekade für Nachhaltige Entwicklung“
- 2012 „Ausgezeichnetes Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt“
- 2013 Qualitätssiegel „Werkstatt N“ durch den Rat für Nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung [1]
Herausforderungen
- Schaffung eines Organisationsrahmens für das Format
- Aufbau eines stabilen Projektmanagements
- Akzeptanz für das Format in der Universität, den Schulen und bei dem Land Berlin schaffen
- Aufbau eines akademischen und regionalen Bildungsnetzwerks aus rund 100 Einzelakteur_innen
- Übersetzung der komplexen Thematik in zielgruppenorientierte Workshops und Fortbildungen
- Jährliche finanzielle Sicherstellung des Bildungsformats
Erfahrungsbericht
Die Lehrerin Corina Franke, die bisher an allen Fortbildungen der SchülerUni teilgenommen hat, schildert in einem Artikel des Tagesspiegels ihre Erfahrungen wie folgt:
Die Kinder waren immer begeistert. Sie tüfteln, basteln, spielen, erkennen, probieren aus, können sogar kosten, diskutieren, begründen, stellen vor, ziehen Schlussfolgerungen und vieles mehr“. Aus pädagogischer Sicht sei die SchülerUni einzigartig: „Nirgendwo wird den Schülern in so vielfältigen Workshops und Mitmachvorlesungen die Problematik im Umgang mit unseren immer knapper werdenden Ressourcen nähergebracht und nirgendwo werden die Folgen unseres Handelns für die Umwelt eindrücklicher aufgezeigt als in der SchülerUni.
Die Universität als außerschulischer Lernort und das Lernen mit und von außerschulischen Partnern spiele für die Grundschüler_innen eine große Rolle, so die Lehrerin: „An diesem Ort mit Fachleuten gemeinsam zu lernen, macht die Schüler deutlich aufnahmebereiter. Eine nachhaltige Lebensweise oder eine Änderung der bisherigen kann nicht von oben verordnet werden, sondern muss durch Wissen und Einsicht entwickelt werden“.
Die Berliner Künstlerin Ev Pommer ergänzt in einem anderen Interview:
Ich finde gut, dass Kinder als Problemlösende ernst genommen werden. Für mich als Künstlerin ist es sehr spannend zu sehen, wie Themen inhaltlich und methodisch bei der SchülerUni behandelt werden. Hier lernen Lehrende und Schüler gleichermaßen, was es bedeutet, fächerübergreifend und interdisziplinär zu arbeiten.
Kernprinzipien
Mit der SchülerUni unterstützt das FFU die Umsetzung der Agenda 2030 und seiner 17 Entwicklungsziele. Folgende Kriterien sind für die SchülerUni charakteristisch:
- Kontinuität, Verlässlichkeit und inhaltliche Erweiterung des Bildungsangebots
- Leicht zugängliches und serviceorientiertes Format
- BNE als didaktisches Konzept für alle Workshops und Fortbildungen
- Lernen an authentischen Lernorten der Universität (indoor/outdoor)
- Partizipation durch interaktive Methoden
- Handlungsorientierung und Perspektivenvielfalt durch inter- und transdisziplinäre Ausrichtung
- Evaluierung der Workshops und Trainings zur Qualitätssicherung
- Einbindung von Studierenden (über Werkverträge) in das Organisationsteam