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Ressourcen / Good Practice

Reallabor Kleinproduzenten

Hochschule Neubrandenburg, Imkerverband Mecklenburg-Vorpommern, Landfrauenverband Mecklenburg-Vorpommern

Inhalt

Kontext

Mecklenburg-Vorpommern ist seit jeher ein landwirtschaftlich geprägtes Bundesland. Über 60 % der verfügbaren Fläche ist der landwirtschaftlichen Nutzung vorbehalten. Diese Landwirtschaft ist schon seit der Erschließung des Landes von großräumigen Strukturen, also großen Einzelflächen und großen Betrieben geprägt. Allerdings gab und gibt es auch zahlreiche kleine Höfe und Einzelpersonen, die Landwirtschaft für die Eigenversorgung betreiben oder für eine kleine Gruppe von Abnehmer*innen Lebensmittel bereitstellen. Diese Form (Subsistenz­wirtschaft) gehört ebenso zum kulturlandschaftlichen Bild wie die großen Betriebsstrukturen. Doch die Konzentrations- und Wandlungsprozesse der letzten Jahrzehnte erschweren es v.a. kleinen Betrieben, landwirtschaftliche Nutzflächen anzukaufen, ein geeignetes Marktumfeld zu finden und den Transfer zu den Verbraucher*innen zu organisieren.

Zudem scheint die Bedeutung der in ihrer Freizeit aktiven Lebensmittelproduzenten abzunehmen. Dies zeigt beispielsweise der Blick auf die Kleingärtner*innen in den neuen Bundesländern. Noch Mitte der 1980er Jahre hat diese Gruppe ein Drittel der Gemüseversorgung im gesamten Staatsgebiet der ehemaligen DDR gestellt. In der Gegenwart haben diese Dauerkleingartenflächen vor allem im ländlichen Raum mit extrem hohen Leerständen und hohen Altersdurchschnitten zu kämpfen – deren Bedeutung für die und Beitrag zur Lebensmittelversorgung ist nicht mehr wahrnehmbar. Auch außerhalb der Kleingärten werden Lebensmittel in großen Teilen von älteren Personen erzeugt; jüngere Personen sind, zumindest in unserer Untersuchungsregion, nach wie vor eher selten. Trotz dieser Entwicklung erfreuen sich regional oder selbst erzeugte Produkte einer wachsenden Beliebtheit.

Mit dem Reallabor Kleinproduzenten suchen wir nach einer Möglichkeit, die Sichtbarkeit von Klein- und Kleinstproduzenten zu erhöhen und die Vernetzung untereinander zu fördern. Wir möchten das Angebot der Produzenten so einfach wie möglich für Verbraucher*innen zugänglich machen und gleichzeitig den Aufwand seitens der Anbieter gering halten. Wir zielen darauf ab, die Motivation für Erzeugung und Konsum regionaler Lebensmittel zu stärken und einen Rahmen zu schaffen, der Austausch- und Informationsprozesse vereinfacht.

Unser Vorhaben ist eingebettet in das Transfervorhaben Hochschule in der Region, gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Initiative Innovative Hochschule. Das Gesamtvorhaben setzt sich zum Ziel, die Hochschule Neubrandenburg als Partnerin für Wissens- und Technologietransfer in der Region fest zu verankern. Neben unserem Teilvorhaben werden auch Themen wie Mobilität in ländlichen Regionen, Daseinsvorsorge und online-gestützte Bürgerbeteiligung bearbeitet. So können wir innerhalb von Hochschule in der Region auf vielfältige Kompetenzen zurückgreifen und uns gegenseitig unterstützen.

Ziele

  • Sichtbarkeit von landwirtschaftlichen Kleinproduzenten erhöhen
  • Vernetzung der Produzenten untereinander stärken
  • Austauschprozesse zwischen Lebensmittelanbietern und Verbraucher*innen vereinfachen
  • Förderung des Konsums regionaler Lebensmittel
  • Erhöhung der Motivation zur Lebensmittelerzeugung
  • Reduktion der Lebensmittelverschwendung und -verluste
  • Erhalt und Förderung einer vielfältigen Agrarstruktur

Bezug zu Suffizienz

Zum einen sollen regionale Wertschöpfungspotentiale besser ausgenutzt werden, wodurch lange Transportketten für Lebensmittel reduziert werden. Zum anderen motivieren wir Menschen, Erzeugnisse zu teilen, und mitzuhelfen, Lebensmittelverluste zu mindern.

Aufbau und Inhalt

Das Reallabor Kleinproduzenten ist ein Teil des Transfervorhabens Hochschule in der Region und dort in den Bereich » Regionale Wertschöpfung « eingebettet – zusammen mit dem Teilvorhaben » Lernnetzwerk Ernährung «. Das Projekt wird vertreten durch den Projektleiter und -initiator Prof. Dr. Theodor Fock und den Mitarbeiter Christian Brechler; beide sind an der Hochschule Neubrandenburg im Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften tätig. Durch den Charakter eines Reallabors sind wir eng mit den regionalen Akteuren in der Lebensmittelbranche der Region verknüpft. Unsere Partner wie die Regionalvermarktungsinitiative » Die Meck-Schweizer «, der Landesimkerverband Mecklenburg-Vorpommern und der Landfrauenverband Mecklenburg-Vorpommern helfen uns, die regionale Struktur zu verstehen und die Bedarfe der Umgebung zu erkennen.

Gleichzeitig sind wir innerhalb der Hochschule aktiv in der Lehre eingebunden und betreuen Abschlussarbeiten, die sich mit Themen der regionalen Wertschöpfung und bedarfsorientierter Anwendungsentwicklung auseinandersetzen. In der Lehre bieten wir Wahlpflichtmodule an, die teilweise offen für alle Fachbereiche sind und sich beispielsweise mit den Dauerkleingartenflächen in der Region auseinandersetzen oder den Entstehungs- und Verwertungsprozess von Lebensmitteln regionsspezifisch analysieren und praktisch aufarbeiten.

Ergebnisse

  • Analyse der Produktionsvielfalt und -leistung von Freizeitproduzenten in der Mecklenburgischen Seenplatte (erste Studie ausgewertet)
  • Öffentlich verfügbare studentische Projekte: z.B. Veröffentlichung einer Kleingartenbroschüre im Okt. 2020
  • Entwicklung einer quelloffenen digitalen Plattform: Die Plattform wird das Angebot kleiner, erwerbsmäßiger, aber auch privater Lebensmittelerzeuger kartenbasiert darstellen und durchsuchbar machen. Um den Aufwand für den Anbieter gering zu halten, gibt es keine Bestell- oder Bezahlmöglichkeit, nur Informationen und Kontaktdaten, ähnlich wie bei ebay Kleinanzeigen. Neben dem Produktionsort werden alle Verkaufspunkte angezeigt; das erhöht den Informationsgewinn und kann den Beschaffungsaufwand reduzieren. Die Erzeuger*innen können sich über die Anwendung untereinander vernetzen und gemeinsam z.B. Veranstaltungen oder Märkte organisieren. Zielgruppe der Plattform sind kleine Lebensmittelerzeuger, Bürger*innen der Region und Tourist*innen.
  • Stärkung des regionalen Lebensmittelangebots
  • Förderung einer sinnvollen Nebeneinkunft zur Verbesserung der Lebensqualität im ländlichen Raum
  • Unterstützung gesellschaftlicher Teilhabe und Interaktion durch einfache Kommunikationswerkzeuge
  • Erhalt und Unterstützung der vielfältigen Agrarstruktur in Mecklenburg-Vorpommern durch die Stärkung kleiner Strukturen
  • Aufbau einer festen Transferstruktur innerhalb der Hochschule für regionale und nachhaltige Wertschöpfung in der Ernährungsbranche

Vertetigung

Zusammen mit der Hochschule werden stetig neue Formate entwickelt, mit denen das Thema » regionaler Konsum « in die Gesellschaft getragen werden kann. Dazu werden demnächst innerstädtische Räume zur Verfügung gestellt, die als Austauschplattform oder Pop-up-Store fungieren können. Hier beziehen wir ebenso Studierende in den Entwicklungsprozess mit ein. Besonders gut funktionierende Formate können über den Projektzeitraum hinweg weitergeführt werden. Zusammen mit den Akteuren Hochschule und Stadtverwaltung entwickeln wir dabei Formate, in denen der regionale Lebensmittelkonsum im Fokus steht.

Auch innerhalb der Hochschule versuchen wir mit möglichst allen Fachbereichen und der Hochschulverwaltung zusammenzuarbeiten, um unser Thema über den Projektzeitraum hinaus festigen zu können. So arbeiten wir in dem Wahlpflichtprojekt » Essbare Hochschule « mit dem Referat » Ökologie & Studi-Garten « und allen Fachbereichen zusammen, um auf dem Hochschulcampus essbare Pflanzen anzubauen, sie zu verarbeiten und Campusweit durch die Teilnehmenden zu verteilen.

Studentische Partizipation

Wir bieten Lehrveranstaltungen an, in denen wir innerstädtische Kleingartenanlagen betrachten oder die Wertschöpfungskette der Lebensmittelproduktion an der Hochschule (» Essbare Hochschule «) abbilden. Studierende schreiben bei uns ihre Abschlussarbeiten und unterstützen das Projekt mit ihren Erkenntnissen und Fähigkeiten und sind stark am Entstehungs- und Denkprozess beteiligt.

Umsetzung

Einblicke

Früher war es normal, nebenher einen Garten zu bewirtschaften. Und was man nicht verbraucht hat, konnte man nahezu überall abgeben. Heute fehlt leider eine Struktur dafür.

Teilnehmer Kleingartenseminar

Zukunftsideen

Mit dem Projekt wollen wir in der Region eine neue Informations- und Austauschquelle schaffen, um einerseits den Erzeugern etwas Kommunikations- und Marketingaufwand abzunehmen und den Verbrauchern andererseits eine übersichtliche Informationsebene für regionale Lebensmittel zur Verfügung zu stellen. Das mit den Mitteln der Digitalisierung erreichen zu wollen, ist ein Versuch, der nur gelingen kann, wenn der Einstieg sehr einfach und der Nutzen sehr groß ist. Am Ende könnte man damit jedoch eine neue Organisationsebene in der Lebensmittelversorgung schaffen, die sehr persönlich und transparent den kleinen Erzeuger*innen die Chance gibt, mehr Sichtbarkeit zu erfahren und neue Absatzwege zu finden. Wenn wir es schaffen, den kleinsten Strukturen die Zukunft etwas abzusichern, können wir damit die Vielfalt in der Kulturlandschaft, die Vielfalt in der Wertschöpfung und die Wertschätzung für Lebensmittel erhöhen.

Bisherige Erfolge

Fallstudie zu Produktionsleistung und -umfang von Klein- und Kleinstproduzenten in der Region Mecklenburgische Seenplatte