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Ressourcen / Good Practice

Projektwerkstätten und tu projects

Inhalt

An der Technischen Universität Berlin existieren seit 1985 die Projektwerkstätten und seit 2012 zusätzlich noch die tu projects. In diesen Lehrformaten können Studierende die Lehre selbst gestalten. Inhaltliche Anforderung an die Projekte ist, dass sie sozial-ökologisch und interdisziplinär ausgerichtet sind. Die Leitung der zweijährigen, meist praxisorientierten Projekte erfolgt durch jeweils zwei studentische Tutor_innen, inhaltlich begleitet durch ein Fachgebiet sowie überfachlich betreut durch die Zentraleinrichtung Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation (ZEWK) und den Wissenschaftsladen kubus.

Kontext

Die von Studierenden organisierten Projektwerkstätten (PWs) wurden 1985 durch eine studentische Initiative an der TU Berlin ins Leben gerufen. Seit dem Sommersemester 2012 existieren zusätzlich die sogenannten tu projects (tups). Die tups werden im Gegensatz zu den PWs, die aus TU-Haushaltsmitteln finanziert werden, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und sind inhaltlich an die Projektwerkstätten angelehnt. Zudem gibt es an der TU Berlin seit Oktober 2013 Projektwerkstätten des BANA-Studiums (Berliner Modell: Ausbildung für Nachberufliche Aktivitäten).

Die Projektwerkstätten und tu projects sind für Studierende sämtlicher Hochschulen (bundesweit), Semester und Studiengänge zugänglich. Dabei besteht vor allem für Studierende der TU Berlin die Möglichkeit, anrechenbare Leistungspunkte (LPs) zu erwerben. Diese bewegen sich meist in einem Rahmen von drei oder sechs ECTS-Punkten.

Ziele

Die PWs und tups der TU Berlin sollen interdisziplinär, praxisorientiert und hochschulübergreifend Bildung für nachhaltige Entwicklung vermitteln. Wesentliche Aspekte der Projektarbeit sind u.a. Eigenorganisation, Learning by Doing und Teamwork. Die dafür notwendigen Kompetenzen sollen im Laufe des Projekts gestärkt werden. Die PWs und tups sollen einen Kontrast zum Studienalltag darstellen, indem sie mit den Studierenden konkrete Fragestellungen behandeln und bei praktischen Projekten ein Ergebnis „zum Anfassen“ liefern.

Darüber hinaus ist es ein Ziel der Projekte, dass die Teilnehmenden die gewonnenen Erfahrungen, Denk- und Handlungsansätze in ihr weiteres Studium, ihren Beruf und ihr Privatleben mitnehmen und dadurch sozial-ökologische Betrachtungs- und Herangehensweisen an andere weitergeben.

Strukturen und Inhalte

Eine zentrale Rolle bei der Projektbetreuung nimmt seit 2011 der Wissenschaftsladen kubus (Kooperations- und Beratungsstelle für Umweltfragen) ein. Dieser ist eine Serviceeinrichtung der TU Berlin und Teil der Zentraleinrichtung für Wissenschaftliche Weiterbildung und Kooperation (ZEWK). Bei der Antragsberatung und -bewilligung arbeiten kubus und die Kommission für Lehre und Studium (LSK) eng zusammen. Bei Genehmigung des Antrags erhält das Projekt zwei Jahre lang zwei finanzierte Tutor_innenstellen mit je 41 Monatsstunden.

Die Projekte werden während der Laufzeit von kubus überfachlich betreut und von Professor_innen unterstützt, die als fachliche Berater_innen zur Seite stehen.
Die PWs und tups können von allen Studierenden gemeinsam mit anderen Interessierten initiiert werden. Dabei sollten folgende Bedingungen erfüllt werden:

  • Das Projekt behandelt ein Thema, das noch nicht im „normalen“ Angebot der TU Berlin zu finden ist.
  • Die didaktische Herangehensweise bietet eine Alternative zum Angebot an der TU Berlin.
  • Das Projekt ist ökologisch und/oder sozial nützlich und interdisziplinär ausgerichtet.
  • Nur für tu projects: Das Projekt richtet sich gezielt an Studierende der Studieneingangsphase.

Das Spektrum der behandelten sozial-ökologischen Themen in den durchgeführten PWs und tups ist sehr breit. Schwerpunkte lassen sich u.a. in den Bereichen Energie, Umweltschutz, Emanzipation, Medien, Technik und Gesellschaft finden [1].

Ergebnisse

Auf der Liste der derzeit geförderten PWs und tups finden sich insgesamt 30 Projekte (Stand: April 2018). Eine Sammlung von bereits durchgeführten und laufenden PWs und tups listet über 180 Projekte auf. Ein Projekt wird meist von zwei Tutor_innen geleitet und weist eine Teilnehmendenzahl zwischen fünf und 35 Personen auf. Pro Jahr nehmen insgesamt ca. 700 Studierende an Projektwerkstätten bzw. tu projects teil.

Die Studierenden lernen in der Projektarbeit:ེ

  • sich kritisch mit gesellschaftlichen Phänomenen in einer interdisziplinären Gruppe auseinanderzusetzen (Sozialkompetenz)
  • sozial-ökologisches Denken und Handeln
  • Lehrveranstaltungen selbst zu organisieren und gemeinsam auszugestalten (Selbstorganisationsfähigkeiten)
  • eigene Interessen in Projekten umzusetzen (Selbstwirksamkeit)

Implementierungsstrategie

Meilensteine

  • Angestoßen durch eine studentische Initiative
  • Testdurchlauf und erfolgreiche Evaluierung
  • Aufnahme in Tutorenausstattungsplan sowie Institutionalisierung (Betreuung durch Fachgebiete und kubus/ZEWK, Bewilligung durch Kommission für Lehre und Studium)
  • Verstetigung einzelner Projekte
  • Zusätzliche Förderung durch BMBF

Herausforderungen

  • Berücksichtigung der Projekte im Tutor_innenausstattungsplan der Hochschule
  • Betreuungskapazität aufbauen
  • Spagat zwischen disziplinärer Hochschulstruktur und Interdisziplinarität der Projekte
  • Verstetigung von Projekten in der Regellehre

Erfahrungsbericht

Die PWs und tups wurden einer eingehenden Evaluation unterzogen. Dazu wurden aktuelle sowie ehemalige Tutor_innen der PWs/tups, betreuende Hochschullehrer_innen und Sekretariate sowie Teilnehmende der PWs/tups befragt. Aus Sicht der Teilnehmenden sind die wichtigsten Unterscheidungsmerkmale im Vergleich zum sonstigen Lehrangebot der TU Berlin die Eigeninitiative bzw. direkte Einflussnahme durch die Teilnehmenden (25 %) sowie das praxisorientierte Lernen (ca. 23 %). Die Evaluation wurde 2013 in einem Bericht zusammengefasst, der online zugänglich ist [2].

Nach den Vorteilen für das Fachgebiet gefragt, gaben vier betreuende Professor_innen an, dass die Projekte insofern einen Vorteil darstellen, indem sie die Lehrinhalte um neue Diskussionsthemen erweitern und somit eine thematische Bereicherung darstellen. Drei Lehrende nannten die Attraktivität des Projekts für kreative, interessierte und engagierte Studierende als Vorteil.

Verbesserungsmöglichkeiten der Projekte werden vor allem im organisatorischen Bereich gesehen, aber auch in didaktischer Hinsicht. Inhaltlich wurde darauf verwiesen, dass die Wissenschaftlichkeit verbessert werden sollte. In diesem Zusammenhang sehen die Lehrenden die Qualitätssicherung als eine der größten Herausforderungen des Projekts.

O-Ton Lehrperson: „Arbeiten an einem größeren Projekt, statt des Abhakens der ständigen Klein- und Minisachen, aus denen sonst ein BA- und MA-Studium leider sich nur noch zusammensetzt. Das Projekt kompensiert auch gewisse Geburtsfehler der BA- und MA-Studiengänge, zumindest in deren momentaner Form.“

Einige Projekte wurden erfolgreich verstetigt – beispielsweise die unirad Fahrradwerkstatt, das Energieseminar, die umwelttechnisch- integrierte Lehrveranstaltung und das Blue Engineering-Seminar. Ähnliche Angebote gibt es mittlerweile an vielen Universitäten, z. B. HU Berlin, HNE Eberswalde, Ruhr Universität Bochum, TU Hamburg-Harburg, Universität Hamburg, Universität Rostock, Universität Augsburg, Universität Oldenburg und der Universität Kiel.

Kernprinzipien

  • Das Projekt zu Themen der sozialen und/oder ökologischen Nachhaltigkeit wird von dem Engagement der Studierenden getragen und baut auf deren Eigeninitiative auf.
  • Die Tutor_innen werden entlohnt.
  • Die beteiligten Studierenden haben die Möglichkeit, sich Leistungspunkte anerkennen zu lassen.
  • Das Projekt versteht sich als interdisziplinär und ist für Studierende aller Hochschulen, Jahrgänge und Diszip- linen zugänglich.