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Ressourcen / Good Practice

Lehrmodul “Ethical Reflection on Food and Agriculture”

Universität Hohenheim, Universität Hohenheim, Universität Tübingen

Inhalt

Kontext

Seit 2010 wird das englischsprachige Ethik-Modul für Studierende der Agrarwissenschaften und verwandter Disziplinen an der Universität Hohenheim angeboten, anfangs unter dem Namen „Ethics of Food and Nutrition Security“ und seit dem Wintersemester 2015/16 als Ethical Reflection on Food and Agriculture. Initiiert wurde dieses innovative, interdisziplinäre Lehr- und Lernkonzept vom gemeinnützigen Student_innen-Verein F.R.E.S.H. e.V. [1], nachdem im Jahr 2008 der Weltagrarbericht veröffentlicht wurde. Seine Botschaft –„business as usual is no longer an option“ – wurde an der Universität Hohenheim während eines von F.R.E.S.H. e.V. organisierten Symposiums heiß diskutiert. Auf diesem Symposium wurde mehrfach der Bedarf nach zeitlichen und räumlichen Strukturen innerhalb des formellen Lehrplans der Fakultät Agrarwissenschaften festgestellt, die eine ethische Reflexion und Diskussion über die im Weltagrarbericht angesprochenen Themen ermöglichen würden. Die Vision des Moduls konnte F.R.E.S.H. e.V. in enger Zusammenarbeit mit dem Fachgebiet Gender und Ernährung (im Sommersemester 2015 abgelöst vom Fachgebiet Gesellschaftliche Transformation und Landwirtschaft) und dem Prorektor für Lehre der Universität Hohenheim sowie dem Ethikzentrum der Universität Tübingen in die Praxis umsetzen. Ausgezeichnet als offizielles Projekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ 2012/13, setzen sich die beteiligten Partner_innen seit dem Wintersemester 2010/11 aus dem Fachgebiet 430b der Universität Hohenheim (Fachgebiet Gender und Ernährung bis WiSe 2014/15 bzw. Fachgebiet Gesellschaftliche Transformation und Landwirtschaft seit SoSe 2015)[2], dem Zentrum für Ethik in den Wissenschaften (IZEW) an der Universität Tübingen [3] und dem F.R.E.S.H. e.V. zusammen.

Ziele

Das Seminar verfolgt das Ziel, junge Wissenschaftler_innen mit einer soliden Grundlage in interdisziplinärer Ethik auszustatten, bestehend aus Grundkenntnissen ethischer Theorie und Argumentation sowie der Anwendung von Werkzeugen zur Identifikation und Analyse möglicher Auswirkungen von Design und Governance von Ernährungs- und Agrarsystemen.

Strukturen und Inhalte

Inhaltlich ist das Modul [4] in zwei Blöcke unterteilt.

1. Ethical Theory and Argumentation

Ein_e Expert_in (IZEW, Universität Tübingen) sensibilisiert die Teilnehmenden systematisch für anwendungsbezogene ethische Fragestellungen und vermittelt ihnen Grundlagen ethischer Theorien und Argumentation. Anschließend werden die Struktur und Anwendungsmöglichkeiten einiger Werkzeuge für ethische Analysen erläutert. Während dieses Abschnitts werden Leitfragen als Hilfestellung für das wöchentlich fortzuschreibende Lerntagebuch bereitgestellt.

2. Practicing Ethical Analysis and Argumentation

Die Teilnehmenden üben sich in der Anwendung des erworbenen Wissens in Gruppenarbeiten zu einem selbst gewählten Themenbereich sowie anhand von Diskussionen mit wechselnden Gastdozent_innen zu weiteren Themen. Dabei geht es um konkrete Praxisbeispiele wie etwa Nahrungsmittelhilfe, gentechnisch modifizierte Organismen, Biokraftstoffe oder auch die Frage der ethischen Implikationen der Exportorientierung der europäischen Agrarpolitik. Die Gastdozent_innen vertreten nach Möglichkeit verschiedene Sektoren aus Wissenschaft und Praxis. Während dieses zweiten Abschnittes führen die Teilnehmenden weiterhin ihre Lerntagebücher, können jedoch bestimmte Themen auswählen, über die sie reflektieren möchten.

Ergebnisse

Ein maßgeblicher Erfolg ist, dass dieses Seminar, das aus Initiative der Studierenden geboren wurde, seinen Weg in den formellen Lehrplan gemeistert hat und nach der erfolgten Ablösung des Fachgebiets Gender und Ernährung durch das neu geschaffene Fachgebiet Gesellschaftliche Transformation und Landwirtschaft weitergeführt wird. In der zurückliegenden Zeitspanne (WS 2010/11 bis WS 2017/18) haben ca. 130 Teilnehmenden das Seminar erfolgreich abgeschlossen.

I feel like the things I learned in this module will be very useful for my future life and will stay with me longer than other things I learned in other lectures.

Bisher hat das Seminar rundweg positives Feedback der Teilnehmenden erhalten und taucht regelmäßig in der Liste der bestevaluierten Veranstaltungen im Masterangebot der agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Hohenheim auf. Hauptsächlicher Gegenstand von Verbesserungsvorschlägen war eine stärkere Verzahnung der Theorie- und Praxisblöcke. Die Fragen „Do you feel more capable to see, articulate and analyse ethical dimensions of issues of food and nutrition?“ und „Do you feel more capable to relate your studies to the ethical questions they raise?“ wurden nach Ablauf des WS 2016/17 im Durchschnitt mit 1,8 bzw. 1,9 bewertet (1 = „yes, a lot“; 5 = „not at all“). Ein exemplarisches Statement illustriert dies näher:

I feel like the things I learned in this module will be very useful for my future life and will stay with me longer than other things I learned in other lectures.

Mittlerweile ist die Design- und Etablierungsphase des Projekts abgeschlossen und es steht eine ausgereifte Struktur zur Verfügung, die es erlaubt, das Seminar auf einer bewährten und hochwertigen Basis weiterzuführen. Kleinere Anpassungen erfolgen auf Basis der Evaluationsergebnisse. Die Relevanz dieser Initiative wurde unterstrichen durch die Auszeichnung von F.R.E.S.H. e.V. als offizielles Projekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ 2012/13. Zu den weiteren Erfolgen des Seminars zählen wissenschaftliche Publikationen zur Entstehung und Struktur des Moduls, aber auch über eine Methode zur Evaluation ethischer Analysefähigkeiten, das am IZEW entwickelt und in den ersten Modulzyklen getestet werden konnte (siehe „Publikationen“).

Implementierungsstrategie

Meilensteine

Herausforderungen

  • Finanzierung: In der Startphase mussten die zur Durchführung notwendigen Mittel (Beteiligung IZEW und Gastdozent_innen) durch aufwendige Akquisetätigkeiten eingeworben werden. Nach einer Phase größerer Stabilität steht mit der Umstrukturierung bzw. dem Wegfall der bisher genutzten Qualitätssicherungsmittel an der Universität Hohenheim jedes Jahr aufs Neue die Frage im Raum, ob und wie das Modul finanziert werden kann; hierfür kommen vor allem studentische Qualitätssicherungsmittel und Mittel des Fachgebiets Gesellschaftliche Transformation und Landwirtschaft in Frage
  • Etablierung von dauerhaft tragfähigen Strukturen: Es gibt bei den beteiligten Partner_innen immer wieder Wechsel (z. B. inhaltliche Neuausrichtung und personelle Neubesetzung des Fachgebiets 430b an der Universität Hohenheim, ständiger Generationenwechsel innerhalb der studentischen Initiative F.R.E.S.H. e.V.); dies wirkte sich bisher zwar nicht negativ auf das Projekt aus, ist aber sicherlich als potenzielle Schwachstelle zu sehen
  • Die Didaktische und inhaltliche Etablierung des Moduls war ein komplexer Prozess des Erprobens und Revidierens über mehrere Jahre hinweg, da die inter- und transdisziplinäre Verknüpfung von Themen und Akteur_innen Neuland darstellte

Erfahrungsbericht

Das Modul wird sowohl von den Studierenden, den Professor_innen als auch von der Universitätsleitung sehr gut angenommen. Die ausführliche Evaluation der Teilnehmenden zeigt den deutlichen Bedarf und das Interesse für den Schwerpunkt des Moduls. Besonders die Vielfältigkeit der Themen, die Erfahrungsberichte und Expertise von externen Referent_innen als auch die enge Zusammenarbeit mit den Modulkoordinator_innen und zwischen den Studierenden sind sehr beliebt, erfordern jedoch von allen Beteiligten eine starkes Engagement. Die Qualität der Referent_innen war durchweg gut bis sehr gut, wobei auch das Feedback der eingeladenen Expert_innen stets sehr positiv war. Bis heute gibt es nur wenig Module, die Ethik mit Agrarwissenschaften verknüpfen und beide Fachrichtungen in einem multidisziplinären Rahmen stellen, obwohl das Interesse und der Bedarf hierfür sehr groß sind.

Kernprinzipien

  • Interaktives Lehr- und Lernkonzept
  • Der Modulinhalt wird maßgeblich von Interdisziplinarität und Internationalität der Teilnehmenden bestimmt sowie durch die Vielzahl an Gastredner_innen gestaltet
  • Frühzeitige Einbindung der studentischen Interessen durch aktive Mitwirkung der Studierenden an jährlicher Themenwahl
  • Das Englischsprachige Seminar richtet sich hauptsächlich an Studierende der internationalen Masterstudiengänge der Fakultät Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim, ist aber auch offen für Bachelorstudierende und Doktorand_innen aller Studiengänge/Fakultäten
  • Sechs ECTS Wahlmodul; wird als Seminar semesterbegleitend mit vier SWS angeboten, in jedem Wintersemester
  • Die Benotung setzt sich zusammen aus: 40 % Gruppenarbeit, 10% Teilnahme an Diskussionen während des Kurses und 50 % Lerntagebuch