netzwerk n

Ressourcen / Good Practice

Lebenswelt Campus

Leuphana Universität Lüneburg

Inhalt

Studierende und Beschäftigte verbringen viel Zeit auf dem Campus. Wir wollen ihn so gestalten, dass sich alle wohlfühlen, mit anderen ins Gespräch kommen und sich bei ihren Tätigkeiten unterstützen. Dafür haben wir den Campus zunächst in einen verkehrsberuhigten Raum verwandelt. In einem nächsten Schritt entsiegeln wir die Straßen, um einen Campuspark mit allen und für alle zu gestalten.

Kontext

Die Universität ist ein Ort, an dem Studierende und Beschäftigte viel Zeit verbringen. Gemeinsam gestalten und prägen sie diesen Ort als » Lebenswelt Universität «. In den Jahren 2017 und 2018 entwickelten die Hochschulmitglieder diese Lebenswelt weiter. Die Senatskommission Nachhaltigkeit initiierte den Prozess und die Mitglieder der Kommission beteiligten sich maßgeblich in verantwortlicher Position an den Seminaren und Workshops. Dazu entwickelten wir mit den Studierenden in den transdisziplinären Projektseminaren » Nachhaltiger Konsum auf dem Campus « und » Nachhaltiges Abfallmanagement « sowie in einem Workshop mit Studierenden des Leuphana-Semesters (das erste Semester im Bachelor für alle neuen Studierenden an der Leuphana) über zwei Semester hinweg neue Ideen für den Campus-Betrieb. Anfang 2018 wurden diese Ideen im Fachforum » Lebenswelt Universität « aufgegriffen und weiterbearbeitet. In vier Workshops zu den Themen » Räume der Begegnung «, » Konsum «, » Ideen- und Gedankenförderung « sowie » Gesundheit « brachten sich die Beschäftigten und Studierenden ein und gestalteten die Weiterentwicklung der Lebenswelt Universität mit. Aus diesem Prozess ist der neue Bereich Lebenswelt Campus entstanden.

Ziele

Wir wollen ein Konzept entwickeln, das die verschiedenen Nutzungsanforderungen an den Campus wie Repräsentativität, Biodiversität, Mobilität, Orte zum Verweilen, Lehre, Lernen, Bewegung, Gestaltung, Pflege, essbarer Campus und Barrierefreiheit einbezieht. Insgesamt sollen so die Aufenthaltsqualität und die Sicherheit auf dem Campus erhöht werden.

Bezug zur Suffizienz

Das Projekt Lebenswelt Campus hat reichlich Ansatzpunkte für Suffizienz:

  • Durch das Konzept shared space erfolgt eine gemeinsame Nutzung des zur Verfügung stehenden Raums.
  • Der motorisierte Individualverkehr und damit auch die Abgasbelastung werden deutlich reduziert.
  • Mit dem essbaren Campus bauen wir Obst, Gemüse und Kräuter für alle an.
  • Mit der Einbindung vieler Themen wie z.B. der Barrierefreiheit leistet das Projekt einen wichtigen Beitrag zur Achtsamkeit.

Aufbau und Inhalt

Mit den Ergebnissen aus den Seminaren und Workshops der » Lebenswelt Universität « entstanden Arbeitsgruppen, die sich aus verschiedenen internen Stakeholdern zusammensetzen und Ideen und Konzepte für die nachhaltige Weiterentwicklung des Campus entwickelten. Die Gruppen stimmten und stimmen weiterhin die Konzepte aufeinander ab. Die Koordination liegt bei der Nachhaltigkeitsbeauftragten, die mit den jeweiligen thematischen Ansprechpartner*innen ebenso die Einbindung von Gremien und des angrenzenden Stadtteils sowie die Kooperation mit der Stadt Lüneburg begleitet.

Ergebnisse

Verkehrsberuhigter Campus

Das Konzept des verkehrsberuhigten Campus (gemäß StVO-Zeichen 325) führten wir am 1. Oktober 2019 ein. Es besagt, dass alle Verkehrsteilnehmer*innen gleichberechtigt die Straßen nutzen dürfen und eine Schrittgeschwindigkeit von 7 km/h vorgeschrieben ist. Gleichzeitig führten wir das Sektorensystem ein, mit dem wir den Campus in einen Ost- und Westteil aufteilen. Ein Übergang zwischen den Teilen ist mit dem motorisierten Individualverkehr nicht möglich. Zudem verkomplizierten wir die Wegführung auf dem Campus. Statt direkt ein Gebäude zu erreichen, muss man sein Ziel umwegig von außen anfahren. Dies zielt darauf ab, dass die Autos bereits auf den dabei zu querenden, außen liegenden Parkplätzen abgestellt werden. Der Hintergrund ist, dass die Universität eine bestimmte Anzahl von Parkplätzen ausweisen muss, die nicht über die vier größeren Stellplatzanlagen abgedeckt sind. Daher sind wir verpflichtet, weitere Parkmöglichkeiten im Inneren des Campus an den Gebäuden auszuweisen. Die Erreichbarkeit dieser sogenannten Straßenrandparkplätze soll aber erschwert und ihre Attraktivität dadurch gemindert werden. Damit rückt ein autoarmer Campus in Reichweite. Die nachhaltige Mobilität ist die Voraussetzung für einen erholsamen Ort.

Eine Studentin untersuchte von Mai bis November 2019 in ihrer Bachelorarbeit die Wirkung dieser Maßnahmen. Auf dem Campus sind durch die Verkehrsberuhigung und das Sektorensystem bereits Entlastungseffekte vom Autoverkehr nachweisbar. So konnte sie evaluieren, dass die vier Außenparkplätze nach der Einführung der Maßnahmen ca. 90 % stärker belegt sind. Dementsprechend reduzierte sich die Anzahl der Straßenrandparker*innen.

Lernorte

Outdoor-Lernorte fördern Aufmerksamkeit und freies Denken, da aus bekannten Lern-Strukturen und klassischen Lernort-Begebenheiten ausgebrochen wird. Die Studierenden haben ein Konzept für zwei Lernorte auf dem Campus entwickelt, die nun umgesetzt werden: Zum einen ist dies ein ruhiger Lernort für Personen, die sich bewusst in geräuscharmer Atmosphäre ihren Lern-Vorhaben individuell widmen möchten. Zum anderen ist dies ein belebter Lernort, der auch für den Austausch in Gruppen nutzbar ist. Das Konzept beinhaltet detaillierte Ziele für beide Lernorte, Organisation, Mobiliar, Entsiegelung, Material, technische Ausstattung, Erreichbarkeit usw.

Biodiversität

Es erfolgt eine Erhöhung der Biodiversität unter Einbeziehung der verschiedenen Nutzungsanforderungen an den Campus inklusive einer Verbesserung des Mikroklimas in Zeiten des Klimawandels. Dazu gehören u.a. die Themen Entwicklung von Flächen, Entsiegelung, essbarer Campus, heimische Arten und Monitoring.

Naturnahe Bepflanzung

Die Mitglieder der AG Biodiversität haben im Herbst 2018 Flächen mit heimischen Wildarten bepflanzt. Neuanpflanzungen erfolgen nur noch mit heimischen Wildarten.

Krokusse

Frühblüher dienen im zeitigen Frühjahr ab Februar den Bienen und anderen Insekten als erste wichtige Nahrungsquelle. Gerade völkerbildende Arten wie Honigbienen und Hummeln sind auf Frühblüher wie Krokusse angewiesen. Nektar und Pollen sorgen für den Aufbau und die Stabilisierung der Völker in einer schweren Zeit. Alle 1.500 Erstsemester*innen haben im Oktober 2019 im Rahmen ihrer Startwoche Krokusse gepflanzt.

Seminare

Weitere Seminare sind geplant, die beforschen sollen, wie die Artenvielfalt auf dem Campus weiter erhöht und nachhaltig entwickelt werden kann.

Bewegungsangebote

Der Hochschulsport entwickelte ein umfangreiches Konzept für Nachhaltigkeit. Darin enthalten sind niedrigschwellige Bewegungsangebote, die wir auf dem Campus umsetzen und die der Hochschulsport institutionalisiert. Dazu gehören z.B. Tischtennisplatten, Slacklines, Schaukeln und spezielle Bewegungsinseln. Überdies schildert das Studio 21 des Hochschulsports Lauf- und Walkingstrecken auf dem Campus und im nahe gelegenen Wald aus. Auch Lüneburger*innen können die Pfade nutzen. Zudem soll es ein Angebot an Wasserzapfstellen geben, die auch bei Veranstaltungen genutzt werden können.

Barrierefreiheit

Wir haben noch bestehende Barrieren identifiziert und viele bereits beseitigt. Das ist ein kontinuierlicher Prozess.

Wir erstellen einen umfangreichen Plan für den Campus, der langfristig alle Themen integriert. Dieser Plan hat zum Ziel, den Campus in einen Park zu verwandeln und z.B. alle Straßen zu entsiegeln, Wege neu zu denken und Räume für ein Miteinander zu schaffen. Lebenswelt Campus ist ein partizipativer Prozess, der langfristig angelegt ist und das Bewusstsein der Hochschulmitglieder und der Besucher*innen auf dem Campus im Sinne der Bildung für nachhaltige Entwicklung fördert.

Mit dem Projekt ist es gelungen, umfassende Aufwertungsmaßnahmen für den Campus umzusetzen, in dem sich Mitarbeiter*innen und Studierende einen großen Teil ihrer Zeit aufhalten. Gerade die Gesamtsicht zeigt, dass letztlich alles miteinander verzahnt ist. Verkehrsräume von parkenden Autos zu befreien, bleibt beispielsweise unbefriedigend, wenn man nicht durch Begrünung, Blühpflanzen und Sitzgelegenheiten neue und schöne Aufenthaltsflächen gestaltet. Erst dieses Gesamtbild generiert einen hohen Mehrwert für alle.

Verstetigung

Lebenswelt Campus hat sich aus dem Nachhaltigkeitsleitbild der Leuphana Universität Lüneburg entwickelt und ist vollständig in die Hochschulstruktur eingebunden. Organisatorisch ist der neue Bereich 2019 im Gebäudemanagement entstanden und wird von zwei Beschäftigten koordiniert.

Studentische Partizipation

Die Studierenden – wie auch alle weiteren Statusgruppen – bringen sich in allen Themenfeldern ein und sind zusätzlich über Seminare oder Bachelorarbeiten in die nachhaltige Entwicklung der Lebenswelt Campus eingebunden.

Umsetzung

Einblicke

Die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Gruppen war generell gut. Es gab natürlich immer unterschiedliche Meinungen bei Themen wie Barrierefreiheit, sportliche Ansprüche, Wünsche der Studierenden und natürlich auch Ökologie und eigenem ästhetischen Empfinden. Auf der anderen Seite finde ich, dass wir bis jetzt einen sehr guten Weg beschritten haben. Alle Stimmen zu hören, war der erste Schritt. Im nächsten Schritt bedeutet das, diese Infos zusammenzutragen, aufeinander abzustimmen und daraus ein Bild zu erstellen, das so viele Stimmen wie möglich enthält. Mein Eindruck war und ist, dass die Mehrheit der Hochschulmitglieder sich sehr freut, dass bei diesem Projekt etwas passiert und sie auch involviert sind. Das überwiegt bei den meisten.

Mitarbeiter im Team Lebenswelt Campus

Die Stimmung der Erstsemester*innen, die die Krokusse gepflanzt haben, war ausgelassen. Alle hatten Lust mit anzupacken. Es war eine schöne und sinnstiftende Abwechslung zum Unialltag.

Studentin

Ich finde, dass es auf dem Campus viel ruhiger geworden ist. Ich habe viele Jahre darauf gewartet, dass man sich bei einem Rundgang auf dem Campus entspannen kann. Und nicht als Fußgängerin von den Autos verdrängt wird. Auch die Parkplatzangebote finde ich nach wie vor sehr komfortabel. Wer schon mal einen Arbeitsplatz direkt in einer Innenstadt hatte, weiß diese kostenfreien und nahen Parkplätze zu schätzen.

Verwaltungsmitarbeiterin

Das Projekt Lebenswelt Campus war eine großartige Möglichkeit, Wünsche von Studierenden vor allem in die Entwicklung neuer Lernorte am Lüneburger Campus einzubringen. Besonders gut haben mir die unkomplizierten Treffen mit anderen Studierenden gefallen, in denen in kürzester Zeit Ideen zu idealen Lernorten zusammengetragen und zunächst frei von Einschränkungen durch Verwaltungsauflagen angenommen wurden. Ich würde mich am meisten freuen, wenn im weiteren Verlauf Lernorte im Freien wirklich so gestaltet werden, dass Natur erfahrbar bleibt. Insgesamt habe ich das Gefühl, dass das Projekt in der Universität viel Anklang findet und Veränderungen, z.B. durch das neue Mobilitätskonzept, bereits sichtbar sind.

Studentin, Dachverband der Studierendeninitiativen Leuphana

Die Verkehrsberuhigung war mit einem Wort: problemarm. Am Anfang ergeben sich bei größeren verkehrlichen Umgestaltungen – und unser Konzept gehört in diese Kategorie – immer › Irrungen und Wirrungen ‹, um es mit den Worten Fontanes auszudrücken. Innerhalb kurzer Zeit haben sich jedoch die Verkehrsregelungen etabliert und werden akzeptiert. Die Gewöhnung der Verkehrsteilnehmer*innen geht sehr viel schneller als der Weg vom Aufkommen einer ideellen Vorstellung bis zur Umsetzung. Ich schaue zurück: Den autoarmen Campus hatten wir schon in einem Projektseminar 2007 intensiv thematisiert. Zwölf Jahre hat es gedauert, bis das Konzept konkretisiert und (immerhin) dann doch relativ schnell umgesetzt wurde. Ich würde sagen: alles in allem relativ fix, denn meinen Studierenden sage ich vielfach, dass es von der wissenschaftlichen Erkenntnis bis zur praktischen Umsetzung üblicherweise mindestens eine Generation dauert.

Professor aus der AG Verkehr

Zukunftsideen

Das Projekt Lebenswelt Campus lebt davon, dass sich die Ideen weiterentwickeln und mit allen Stakeholdern abgestimmt realisiert werden. So sind wir gespannt und offen, was in den nächsten Jahren noch kommt. Eine Idee ist, das Konzept shared space über die Campusgrenzen hinaus in den Stadtteil hinein wachsen zu lassen. Damit wäre eine Verbindung zwischen Universität und dem angrenzenden Stadtteil geschaffen sowie eine Kultur des Miteinanders initiiert. Eine weitere Vision ist der autofreie Campus. Dieser kann indes nur realisiert werden, wenn auf dem Campus zwei Parkhäuser gebaut werden, damit die Anzahl an Parkplätzen, die die Universität ausweisen muss, auch vorliegen. Eine noch schönere Vorstellung wäre es, wenn möglichst viele oder auch alle Beschäftigte, Studierende und Besucher*innen ein nachhaltiges Bewusstsein ausprägen und nachhaltig zum Campus pendeln würden: mit nachhaltigen Mobilitätsvarianten wie Rädern, Pedelecs, E-Autos oder auch Fahrgemeinschaften. Die Reaktivierung einer alten Bahnstecke vom Bahnhof in die Nähe des Campus kann dieses Vorhaben unterstützen

Bisherige Erfolge

  • Partizipationsprozess
  • Umsetzung eines autoarmen Campus und Verkehrsberuhigung
  • Seminare und eine Bachelorarbeit zur Lebenswelt Campus