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Ressourcen / Good Practice

Erfolgreiche Klimakommunikation und die Rolle der Psychologie

Universität Witten / Herdecke

Inhalt

1 Kontext

1.1 Entstehungsgeschichte und Motivation

Begonnen haben die Überlegungen zu dem Seminar kurz vor Beginn des Sommersemesters 2021. Das Ziel war es, eine Lehrveranstaltung für Studierende der Universität Witten/ Herdecke (UW/H) im Bereich Studium fundamentale zu entwickeln. Gemäß der Idee des Studium fundamentale sollte das Seminar überfachlich und für Studierende aller Fachsemester und Studiengänge konzipiert sein. Da das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile von der UW/H verstärkt bearbeitet wird, vor allem aber auch der Autorin persönlich ein wichtiges Anliegen ist, wurde dieser Themenkomplex als Oberthema gewählt. Die Psychologie als fachlicher Hintergrund der Autorin kann für das Verständnis vieler Vorgänge in der Welt hilfreich sein. So entstand die Idee, beide Aspekte inhaltlich zu verknüpfen. Darüber hinaus ist an der UW/H das Wirken der Studierenden in die Hochschule stets erwünscht, daher wurde die Thematik „Nachhaltigkeit an der UW/H“ ebenfalls mit einbezogen.

1.2 Inhalt und Beitrag zu Nachhaltigkeit & Hochschule

Das Seminar Erfolgreiche Klimakommunikation und die Rolle der Psychologie wurde mittlerweile in drei aufeinander folgenden Semestern unter diesem bzw. ähnlichen Veranstaltungstiteln durchgeführt. Die Lehrveranstaltung ist im Studium fundamentale angesiedelt. Somit können Studierende jeglicher Fachrichtung und Studienfortschritts teilnehmen, was einen interdisziplinären Austausch sowie Synergien durch unterschiedliche Perspektiven und das Kennenlernen von Peers anderer (fachlicher) Hintergründe ermöglicht. Die Lehr-Lernmethoden zielen ebenfalls darauf ab, dass die Studierenden viele Inhalte selbst erarbeiten und in Gruppen diskutieren und anwenden. Auch Methoden wie Rollenspiele sind Teil des Konzeptes, um eine möglichst intensive und interaktive Auseinandersetzung mit den Lerngegenständen zu erreichen.
Die Teilnehmenden erwerben in dem Seminar wichtige Kompetenzen für das Verständnis nachhaltigen Handelns, indem grundlegende psychologische Mechanismen vor allem aus der Sozialund Persönlichkeitspsychologie auf nachhaltigkeitsbezogene Kontexte angewendet werden. Thematisiert werden dabei unter anderem Einstellungen und Normen, der Einfluss des sozialen Umfelds, Gewohnheiten und typische Biases. Dabei geht es teilweise um andere Akteur:innen, wie Peers, Familie oder auch politische Entscheidungsträger:innen, vor allem aber auch um die Reflexion des eigenen Verhaltens. Über die psychologischen Grundlagen hinaus wird stets auch eine interdisziplinäre Perspektive eingenommen, was für die Bearbeitung von Nachhaltigkeitsthemen unerlässlich ist.
Im Verlaufe der Veranstaltung werden die erarbeiteten Erkenntnisse aus der Psychologie auf verschiedene Kommunikationssettings angewandt. Abschließend erstellen die Teilnehmenden eine Projektarbeit, die die Kommunikation eines Nachhaltigkeitsanliegens beinhaltet. Dabei greifen sie vor allem auf die psychologischen Mechanismen zurück, die sie im Seminarverlauf kennengelernt haben, sowie auf weitere Lerninhalte.
Zusätzlich zu dem Kommunikationsprojekt selbst wird in einer kurzen schriftlichen Ausarbeitung reflektiert, auf welche Ansatzpunkte im psychologischen Bedingungsgefüge dabei Bezug genommen wird.

1.3 Ziele

Kernziele:
Entwicklung einer Lehrveranstaltung ab Sommersemester 2021, die Studierenden die grundlegenden psychologischen Mechanismen umweltbezogenen Verhaltens vermittelt, sowie Hinweise zu zielführender, wertschätzender Klimakommunikation gibt
Weitere Ziele:
Studierende zu Selbstreflexion anregen, Nachhaltigkeitsbezogene Kommunikationsprojekte (teils mit Bezug zur Hochschule) entwickeln lassen

1.4 Strukturen und Zuständigkeiten

Die Lehrveranstaltung wurde von Dr. Svenja Hartwig konzipiert und umgesetzt, ebenso die Evaluationen und entsprechenden Anpassungen im Seminarverlauf.

1.5 Ergebnisse

kurzfristige, zählbare Ergebnisse:
Die Teilnehmendenzahlen des Seminars lagen in den drei Semestern, in denen es durchgeführt wurde, jeweils zwischen 10 und 15 Studierenden. Die maximale Belegungszahl der Veranstaltung wurde mit 15 Personen auf eine relativ kleine Lerngruppe festgelegt, da die verwendeten Methoden und die Diskussionskultur davon profitieren. Dementsprechend nahmen insgesamt etwa 30-40 Studierende der UW/H an dem Seminar teil – erreicht wurden jedoch weit mehr Menschen. Dies lag an dem Fokus des Seminars auf (Außen-)Kommunikation, die sich in den jeweiligen Kommunikationskampagnen an alle Angehörigen der UW/H richteten.

langfristige, gesellschaftliche Wirkung:
In der Veranstaltung wurden die Teilnehmenden dazu angeregt, über die Prädiktoren und weiteren Bedingungsfaktoren ihres nachhaltigkeitsbezogenen Verhaltens nachzudenken und darüber mit anderen Menschen in den Austausch zu kommen. Daher wurde schon im Seminar der Perspektivwechsel zu Personen oder Gruppen, die andere Hintergründe mitbringen, eingeübt. Auch der Fokus auf klassische Wahrnehmungsbiases und Gruppenprozesse wurde vermittelt, sodass eine Reflexion des eigenen und fremden Handelns ermöglicht wurde. Diese und weitere Fertigkeiten werden den Studierenden in späteren Lebenssituationen zugutekommen, gerade auch im Bereich Kommunikation von und über Nachhaltigkeit.

1.6 Grad der Verstetigung / festen Einbindung in die Hochschulstruktur

Das Seminar soll in regelmäßigem Turnus etwa alle 2-3 Semester angeboten werden.

1.7 Partizipationsform und -grad der Studierenden

Die Teilnehmenden werden in jedem Semester sowohl fortlaufend informell dazu ermutigt, Feedback und Wünsche einzubringen, als auch formell in zwei schriftlichen Evaluationen zu ihren Erfahrungen, Einschätzungen und Rückmeldungen zu den Seminarinhalten und -methoden befragt. Die schriftlichen Evaluationszeitpunkte sind dabei jeweils zur Mitte und zum Ende der Vorlesungszeit.

2 Umsetzungsstrategie

2.1 Meilensteine

2.2 Rahmenbedingungen und Faktoren, die zum Erfolg des Good Practice beigetragen haben und / oder die Umsetzung erleichtert bzw. beschleunigt haben

Um den Studierenden die Aktivitäten der Universität im Bereich Nachhaltigkeit umfassend und aktuell nahezubringen, fand ein enger Austausch mit der Vernetzungsstelle Nachhaltigkeit der Universität Witten/Herdecke statt. Im Wintersemester 2021/22 und Sommersemester 2022 besuchte darüber hinaus die Nachhaltigkeitsmanagerin die Lehrveranstaltung, um von ihrer Arbeit und den Bestrebungen der Universität zu berichten. Die Teilnehmenden empfanden dies als sehr hilfreich und spannend, da das Thema Nachhaltigkeit sonst bislang nicht in gebündelter Form an die Studierendenschaft kommuniziert wird.
Weiterhin wurde jeweils in der Mitte und zum Ende der Vorlesungszeit eine Evaluation durchgeführt, in der die Studierenden viele wertvolle Hinweise und konstruktive Kritik einbringen konnten. Dieses Feedback wurde dann stets zum nächstmöglichen Zeitpunkt in die Seminarplanung einbezogen und auch in den folgenden Semestern implementiert.

2.3 Probleme und Herausforderungen bei der Umsetzung des Good Practice

Als die Idee für das Seminar entstand, befanden wir uns gerade in der Phase des digitalen Lehrens und Lernens aufgrund der Coronapandemie. Aufgrund dessen war die Durchführung der Lehrveranstaltung, die wie beschrieben zu einem großen Teil auch auf Interaktion zwischen den Studierenden fußt, nur eingeschränkt möglich. Einige geplante Einheiten und konkrete Übungen mussten in den ersten beiden Semestern der Durchführung abgeändert oder ganz verworfen werden.

2.4 Übertragbarkeit

Die Übertragbarkeit auf andere Universitäten ist in jedem Falle gegeben. Die theoretischen und methodischen Inhalte und Herangehensweisen können nahezu komplett übertragen werden. In Bezug auf die Nachhaltigkeitsaktivitäten der jeweiligen Hochschule müssten Anpassungen der Lerngegenstände vorgenommen werden. Dies betrifft aber nur einen recht kleinen Anteil der Seminarinhalte und kann ggf. von zentralen Ansprechpersonen im Bereich Nachhaltigkeit übernommen werden.

3 Erfahrungsberichte

3.1 Erfahrungsberichte

O-Töne aus unterschiedlichen Evaluationen der vergangenen Semester:

„[…] Sehr viel bereichernder Austausch mit den anderen Seminarteilnehmern; Lockeres, unkompliziertes Verhältnis zur Dozentin; Wiederholte Rückfragen zu unseren Wünschen und Vorstellungen; vor allem in Bezug auf Didaktik; Abwechslungsreiche Aufgaben […]“

„[…] Außerdem finde ich die Atmosphäre in dem Kurs sehr sehr gut. Der Kurs macht mir wirklich Spaß! […]“

„[…] Kombination von Frontallehre, Gruppenerarbeitung und insbesondere […] interdisziplinären Austausch. + eine warme Arbeitsatmosphäre“

3.2 Kurzinterview mit Koordinator*in

Mein bewegendster / schönster Moment mit dem Good Practice:
Die Rückmeldungen und der Dank der Studierenden am Ende des Semesters. Viele Teilnehmende berichteten, dass sie die Inhalte für ihr weiteres Studium, aber auch ihr weiteres Leben als sinnvoll und hilfreich erachten.
Nachhaltigkeit ist für mich ein Herzensthema, weil …
es keine Alternative gibt.
Mein Tipp für alle, die ein Nachhaltigkeitsprojekt starten wollen:
Nicht lange auf andere warten, sondern einfach anfangen! Und sich innerhalb der eigenen Organisation gut vernetzen – ein Überblick wer welche Kompetenzen (und ggf. Befugnisse) hat, kann nie schaden.
Meine Vision einer nachhaltigen Hochschule 2050:
Aspekte der Nachhaltigkeit sind ganz selbstverständlich im Curriculum verankert und werden in jeder Lehrveranstaltung zumindest einmal thematisiert. Die Hochschule an sich ist niedrigschwellig mit ÖPNV zu erreichen – dieser ist für alle Universitätsangehörigen für den Weg zur und von der Hochschule kostenlos. Die Mensa bietet ein rein veganes Menü an, größtenteils mit regionalen und saisonalen Lebensmitteln. Es ist sichergestellt, dass auch Personen mit Allergien oder Unverträglichkeiten jederzeit in der Uni verpflegen können. Die Gebäude sind barrierefrei, energieeffizient und der Campus lädt zum Verweilen ein.

4 Blick in die Zukunft

Die Lehrveranstaltung wandelte sich bereits in den drei Semestern, in denen sie durchgeführt wurde und wird weiter in einem fortlaufenden Entwicklungsprozess bleiben. Die Erfahrungen, Ideen und Rückmeldungen der Teilnehmenden bleiben dabei von zentraler Bedeutung. Das Seminarkonzept ist gut dokumentiert und die Lehrveranstaltung kann somit auch von anderen Personen mit einem Psychologie-Hintergrund ohne intensive Vorarbeiten gehalten werden.
Stärkere Verknüpfungen mit den aktuellen Fragestellungen oder Kommunikationsanforderungen der Universität könnten in Zukunft geplant werden. Hierbei wäre auch eine konkrete Aufgabenstellung für ein Kommunikationsprojekt aus der UW/H heraus denkbar, die dann von den Studierenden von Beginn an mitgedacht und bearbeitet werden kann.
Des Weiteren ist eine stärkere wechselseitige Einbindung des International Center for Sustainable and Just Transformation (tra:ce) denkbar. In dieser neuen forschungsorientierten Institution der UW/H wird in einem Forschungsmodul Wissen zur Entwicklung nachhaltigkeitsbezogener Kompetenzen im Studium fundamentale generiert.