netzwerk n

Ressourcen / Good Practice

BNE im Klassenzimmer

Universität Leipzig, mohio e.V. (Halle/Saale)

Inhalt

Kontext

Das Projekt BNE im Klassenzimmer ist eine Kooperation zwischen dem Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung (ZLS) der Universität Leipzig und dem mohio e.V. in Halle an der Saale, der seit zehn Jahren Bildungsveranstaltungen zum Thema nachhaltige Entwicklung, Systemdenken und Globale Medien entwickelt und umsetzt. Seit dem Wintersemester 2017 führt mohio nun als externer Akteur, ergänzend zum universitären Angebot, ein Seminar für Lehramtsstudierende durch.

Initiiert wurde das Projekt nach einer 90-minütigen Veranstaltung im Rahmen der Ringvorlesung zum Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Hier lernten sich Referent_innen und Studienkoordinator kennen. Aufgrund des beiderseitigen Interesses an einer systematischeren Ergänzung des Lehrangebots wuchs die Idee der langfristigen Zusammenarbeit. Mohio entwickelte daraufhin ein Projekt, das zum Großteil von externen Fördermitteln finanziert wird.

Ziele

Ziel des Projektes ist es im weitesten Sinne, angehende Lehrer_innen zu motivieren und zu qualifizieren, um BNE im eigenen Unterricht umzusetzen. Die Ziele des Projekts richten sich am Orientierungsrahmen für den Lernbereich globale Entwicklung aus:

Erstes Ziel ist die persönliche Entwicklung. Die Lehramtsstudierenden sollen in die Lage versetzt werden, globale Problemfelder zu erkennen und vor dem Hintergrund der Notwendigkeit einer zukunftsfähigen Entwicklung zu bewerten. Darüber hinaus sollten sie diese in Bezug zur eigenen Lebenswelt und dem Handeln als Konsument_in, Bürger_in und Lehrer_ in setzen können. Dafür bieten natürlich die Sustainable Development Goals (SDGs) den Rahmen, allerdings sollte auch allen bewusst werden, dass die Lösungen von heute spätestens morgen wieder einer kritischen Reflexion bedürfen.

Zweites Ziel ist die professionelle Qualifikation. Am Ende des Seminars haben die Teilnehmenden ein Basisspektrum an Inhalten und Methoden der BNE kennengelernt und sind ermutigt und qualifiziert, diese im eigenen Unterricht umzusetzen. Dafür haben sie nicht nur an Inputveranstaltungen teilgenommen, sondern auch bereits selbst eigene Unterrichtseinheiten für ihren individuellen Fächerkanon entworfen und im Seminarrahmen durchgeführt.

Als drittes Ziel sehen wir das Engagement für Wandel. Die Lehramtsstudierenden verstehen BNE als Querschnittsthema und Schule als Labor für entsprechende Zukunftsprojekte einer ökosozialen Transformation. Ihnen ist bewusst, dass jeder Fachbereich, genauso wie die lokalen Bedingungen, immer entwicklungspolitische Bezüge bergen und sie stellen diese besonders heraus. Schule sollte dabei als positive Chance begriffen werden, sich gemeinsam mit den Schüler_innen direkt im Bereich der dringendsten Zukunftsherausforderungen unserer Zeit zu engagieren. Dafür sind sie auch bereit, die engen Fächerkategorien zu überwinden und neue, eigene, interdisziplinäre Projekte zu entwickeln um nachhaltige Bildungswirkungen zu erzielen.

Strukturen und Inhalte

Es handelt sich um eine Zusammenarbeit zwischen einem zivilgesellschaftlichen Akteur und dem Zentrum für Lehrerbildung und Schulforschung der Universität Leipzig. mohio e.V. kümmert sich dabei um Inhalte, Referierende und Betreuung der Studierenden, während die Studienkoordination des ZLS die technische und organisatorische Einbettung in den Hochschulablauf
übernimmt.

Zentrale Inhalte sind ausgewählte Kernthemen der BNE. Dazu zählen u.a. der Ökologische Fußabdruck, Überfischung, Welthandel und Wirtschaftssystem, Fair Trade und Globale Medien. Die Studierenden nehmen in der ersten Hälfte des Seminars als Teilnehmende der jeweiligen Unterrichtseinheiten bzw. Workshops teil. Hier wird die inhaltliche Basis gelegt und auch methodisch reflektiert.

In der zweiten Hälfte des Seminars schlüpfen sie nun selbst in die Rolle der Lehrer_in und erarbeiten eigene Unterrichtseinheiten. Die Themen hierfür sind frei wählbar, einzige Bedingung ist der entwicklungspolitische Bezug zur nachhaltigen Entwicklung und zum eigenen Fachbereich. So kommt ein breites und kreatives Spektrum zustande – ‚Bienen‘ in Biologie, ‚Braunkohle‘ in Geografie, ein selbstentworfenes Planspiel zu ‚Regionalwährungen‘ in Mathe, ‚Buen Vivir‘ in Spanisch, ‚Greenwashing-Kampagnen‘ in Kunst, ‚Plastikmüll in den Weltmeeren‘ in Französisch, ‚Nachhaltigkeit und Werte‘ in Ethik, oder ‚Kryptowährungen und Nachhaltigkeit‘ in Wirtschaft.

Ergebnisse

Pro Semester können bis zu 25 Studierende am Modul teilnehmen. Die dabei vermittelten Kompetenzen sind analog zu den Inhalten und Zielstellungen.

Implementierungsstrategie

Erster Meilenstein war das Kennenlernen zwischen den Kooperationspartner_innen und die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. Es gibt eine Menge erfahrener Bildungsakteure im außerschulischen Bereich BNE. Jedoch erfordert es, aktiv aufeinander zuzugehen, um einen Kompetenzaustausch und Zusammenarbeit mit anderen Bildungseinrichtungen zu etablieren. BNE wird leider in einigen Hochschulen noch sehr stiefmütterlich behandelt – obwohl gerade in der Lehrer_innenausbildung hohes Multiplikationspotential steckt. Im Falle der Universität Leipzig sitzt mit Veit Polowy allerdings ein Studienkoordinator an der entsprechenden Schaltstelle, der selbst am Thema interessiert ist. Insofern war hier keine inhaltliche Überzeugungsarbeit notwendig.

Zweiter Meilenstein ist die Projektierungs- bzw. Finanzierungsfrage. Es besteht Bedarf seitens der Universitäten und es gibt Akteure, die diesen Bedarf decken können. Leider ist aufgrund der meist prekären Entlohnungsstaffeln eine externe Förderung unumgänglich, um diese auch einbinden zu können. Hier gibt es wiederum Hürden bei der Formalisierung, die sich aus den Leitlinien der entsprechenden Institutionen ergeben. Wir sind daher dankbar, dass alle Beteiligten sehr engagiert am bisherigen Gelingen mitgewirkt haben.

Erfahrungsbericht

Das Feedback der Teilnehmenden ist bisher – nach einem Pilotsemester – durchweg positiv. Wir haben das Semester in einer Abschlussveranstaltung sehr intensiv hinsichtlich unserer Zielstellungen reflektiert und ausgewertet. Einige wertschätzen dabei, dass sie nun „eine Möglichkeit gefunden haben, sich auch in ihrem Beruf aktiv für eine zukunftsfähige Gesellschaft zu engagieren“. Die sonst „diffuse Ohnmacht angesichts der zahlreichen globalen Katastrophen“ ist einer positiven Vorstellung gewichen, „was ich konkret tun kann“. Zu diesen professionellen Selbstwirksamkeitsbekundungen gehören auch Rückmeldungen zu „persönlicher Entwicklung während des Semesters“, bspw. im Konsumverhalten oder im Hinblick auf die Motivation zu mehr bürgerschaftlichem Engagement. Praktisch alle befürworten die Ausrichtung des Seminars und haben für Ihre Lehrtätigkeit substanzielles Anwendungswissen mitgenommen. Besonders wichtig war uns im Hinblick auf einen ‚whole-school-approach‘ das Bewusstsein für die vielfältigen Einbettungsmöglichkeiten von Nachhaltigkeitsthemen in wirklich jedem Unterrichtsfach. Hierfür haben wir dutzende Anregungen gesammelt. Vor allem die höheren Semester gaben dabei aber auch kritisch-konstruktive Hinweise zur methodischen und inhaltlichen Weiterentwicklung des Seminars. Einige weiterlaufende Zusammenarbeiten mit dem Bildungsträger sind dabei in Aussicht.

Zur Wissenssicherung (neben den zahlreichen Bildungsmaterialien von mohio) schreiben die Studierenden zusätzlich kurze Reflexionen und stellen ihren Kommiliton_innen die Ablaufpläne und Methoden ihrer eigenen Unterrichtseinheiten zur Verfügung. So haben wir maximale Wissensdiffusion und stellen sicher, dass sie später im Unterrichtsalltag nur noch in die Schublade greifen müssen.

Es gibt aber natürlich auch kritische Rückmeldungen. Beispielsweise bemerken wir seitens einiger Lehrender auch Skepsis und ein Hinterfragen der Notwendigkeit eines_r externen Akteurs_in. Dabei wollen wir das Rad nicht neu erfinden, sondern die bestehende Lehre thematisch ergänzen. Oft ist die Ursache dafür schlicht, dass sich mit dem Thema noch nicht intensiv auseinandergesetzt wurde, bspw. weil die Zeit fehlt. So entstehen auch Bedenken, was die eigene Qualifikation angeht. Doch dabei sind es gerade die erfahrenen Lehrenden, die hier am meisten einbringen und bewegen könnten. Wir würden uns daher wünschen, BNE offen gegenüber zu stehen und darin eine vielfältige Möglichkeit zu sehen, den Unterricht lebensnah und zukunftsrelevant zu gestalten. Unser langfristiges Ziel ist entsprechend die Implementierung von BNE als Basis- bzw. Querschnittsthema. Dafür möchtenwir gerade mit den einzelnen Fachdidaktiken zusammenarbeiten und im besten Falle auch Weiterbildungen für Lehrende organisieren. Hierfür allerdings müssen wir noch besser kommunizieren lernen. Klar ist aber auch: Ohne die Unterstützung der Leitungsebene ist das nicht zu schaffen.

Auch von anderen Akteuren erreicht uns Feedback. Nach Konferenzen oder Multiplikationsveranstaltungen bekommen wir bspw. Anfragen von anderen Universitäten und Bildungsträgern, die ähnliche Seminare entwickeln wollen. Gerade an Hochschulen gibt es ja das Bewusstsein für die Bedeutung des Themas. Wichtig ist dann, aktiv zu werden, die eigenen Spielräume auszunutzen, und nicht auf strukturelle Veränderungen zu warten – diese Zeit haben wir gar nicht. Teils kommen die Impulse auch von engagierten Studierenden und pflanzen sich dann in Mittelbau und hoffentlich in der Führungsebene fort. Die Martin-Luther-Universität in Halle ist hierfür aktuell ein sehr gutes Beispiel, wo sich gerade in der Lehrer_innenausbildung sehr viel bewegt. Auch innerhalb der Ministerien finden sich immer offene Ohren, die aber angesprochen werden wollen. Gibt es dann Fortbildungsprojekte, Seminare oder ähnliches und sind für den kurz- und mittelfristigen Bedarf zivilgesellschaftliche Akteur_innen vor Ort, die bereits Erfahrungen in BNE haben. Allerdings findet manchmal nur sehr wenig Kommunikation nach außen statt, was vielleicht auch mit der fragilen Projektstruktur zu tun hat. Insofern wollen wir hier die Plattform nutzen, um die Sichtbarkeit zu erhöhen und andere zu ermutigen, es ebenfalls zu versuchen!

Kernprinzipien

  • Offen für alle Semester und Fächerkombinationen
  • Anrechenbarkeit der Leistungspunkte; das Modul kann als obligatorisches Ergänzungsstudium anerkannt werden
  • Flexibilität der beteiligten Akteure Universität und Zivilgesellschaft in Bezug auf Finanzierung, Kooperationsrahmen etc.
  • verpflichtende Grundlagenausbildung für Lehrer_innen (noch nicht umgesetzt)