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Universität ist der Ort wo…

Erstes grenzüberschreitendes Treffen der „Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich“ & des „Netzwerks Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern“ 

Unter dem Titel „Nachhaltigkeit an Hochschulen im binationalen Vergleich“ versuchten am 29. und 30. Juni an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck die „Allianz Nachhaltige Universitäten in Österreich“ und das „Netzwerk Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern“ erstmals Potenziale und Synergien einer grenzüberschreitenden Kooperation zu diskutieren und zu schaffen.

Die beiden Netzwerke gründeten sich unabhängig von einander im Jahr 2012 mit dem Ziel Aktivitäten im Nachhaltigkeitsbereich sichtbar zu machen und diese zu bündeln. Beide agieren jeweils als informelle Institution und suchen den Austausch nicht nur zwischen Universitäten und Hochschulen, sondern auch mit Entscheidungsträger_innen aus der Politik. Im Rahmen der Veranstaltung trafen sich Vertreter_innen aus Lehre und Forschung, Hochschulgemeinschaft, -verwaltung und -leitung sowie aus Politik und für die Hochschulen zuständigen Ministerien aus Österreich, Bayern und weiteren deutschen Standorten.

Wege für den Blick über den Tellerrand und zur strukturellen Verankerung von Nachhaltigkeit

Wie die grenzüberschreitende Vernetzung konkret aussehen kann ist bisher noch unklar und wird die Stakeholder wohl noch eine Weile beschäftigen. Einig waren sich jedoch alle, dass diese gewünscht und auch nötig ist. Christoph Goppel, der Vertreter des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz, rief in diesem Sinne dazu auf „mehr über die Grenzen, den Tellerrand und die Legislaturperiode hinaus zu denken“. Dieser Aufforderung kam die Veranstaltung in vielen Punkten nach:

Es wurde versucht, den weiten Bogen von der gesellschaftlichen Herausforderung nachhaltiger Entwicklung im außeruniversitären Kontext zu der Rolle und Verantwortung, die Hochschulen in diesem Diskurs zukommt, zu schlagen. In der einleitenden Keynote schaffte Franz Josef Radermacher vom Club of Rome und der Universität Ulm einen breiten Rahmen und Ausgangspunkt für diese Auseinandersetzung: So warf er kritische Fragen auf, ob die von den UN formulierten Sustainable Development Goals (SDGs) überhaupt den Nachhaltigkeitsbegriff abdecken und wie realistisch es sei, die SDGs bis 2030 zu implementieren.

Er selbst sehe dies als unrealistisch unter den aktuellen Governance-Strukturen an, unter Verweis auf die mangelnde rechtliche Verbindlichkeit, feste Verantwortlichkeit und finanzielle Budgetierung der aktuellen UN-Beschlüsse. Ein großes Potenzial sehe er andererseits an Universitäten, wo seiner Meinung nach „die besten Gehirne vorbereitet werden, um die schwierigsten Probleme dieser Welt zu lösen“.

„Universität ist der Ort, wo die besten Gehirne vorbereitet werden, um die schwierigsten Probleme dieser Welt zu lösen“

Mangel an zukunftsfähigen Governance-Strukturen

Jedoch auch an Hochschulen, so der Konsens, mangelt es an effektiven Governance-Strukturen, um das Thema Nachhaltigkeit strukturell zu verankern. Dabei wurden vielseitige Ansätze diskutiert wie diese Situation verbesserte werden könnte: Bereits bestehende Lösungsansätze sollten sichtbar gemacht und gestärkt werden, Narrative geschafft werden und neue Formen der Auseinandersetzung im dialogischen Verfahren unter Berücksichtigung aller Stakeholder ausprobiert werden. Die SDGs könnten dabei als Möglichkeit des themengebundenen Austauschs zwischen den Hochschuldisziplinen fungieren. Außerdem wurde die Frage nach der intrinsischen und extrinsischen Motivation bei der Verwirklichung der SDGs aufgeworfen. Dabei herrschte Uneinigkeit darüber, inwiefern Nachhaltigkeit durch Anreizsysteme (extrinsisch) oder durch Überzeugung (intrinsisch) implementiert werden müsse. Als ein möglicher extrinsischer Anreiz wurden im besonderen Maße die Leistungs- (Österreich) und Zielvereinbarungen (Bayern) als zentrales Steuerungselement für nachhaltige Entwicklung betont. Diese werden zwischen den Hochschulen und dem Land bzw. Staat geschlossen und sollen die Umsetzung von festgelegten Zielen durch finanzielle Anreize garantieren. Seit 2016 (Österreich) bzw. 2014 (Bayern) ist Nachhaltigkeit ein zentraler Aspekt dieser Vereinbarungen. Die Zwischenbilanz lautet, dass sich die Vereinbarungen – auch aus Sicht der Hochschulen – bewährt haben, aber bisher kein objektives Maß zur Erfolgsmessung bestehe. Dabei müssten sowohl quantitative als auch qualitative Kriterien berücksichtigt werden.

Einigkeit herrschte glücklicherweise im übergeordneten Ziel, nämlich, dass in der Weiterentwicklung von Hochschulen kein Weg an der Nachhaltigkeit vorbeigeht. Dies war zwar bestärkend für die Teilnehmenden, führte aber aus Sicht der Autorin an vielen Stellen zu einem Diskurs, der sich nicht durch Meinungsdiversität, sondern durch minimale Differenzen in der Ausgestaltung der fast gleichen Meinung äußerte. Unter dem Aspekt, dass das Treffen als Vernetzungsmöglichkeit fungieren sollte, scheint dies jedoch auch nicht bedeutend tragisch. Besonders positiv wahrgenommen wurde die theoretische Fundiertheit, mit der die Teilnehmenden diskutierten. So sind alle wichtigen Schlagwörter rund um das Thema Nachhaltigkeit an Hochschulen, von Inter- und Transdisziplinarität über Gestaltungskompetenzen zu Partizipation etc. etc., gefallen. Leider führte der in den Augen der Autorin doch sehr theoretische Diskurs zu wenig praktischen Output, sodass auch bei diesem Format – sicherlich entgegen der Wünsche aller Teilnehmenden –  Nachhaltigkeit abermals aus dem Elfenbeinturm betrachtet wurde. Zuletzt möchte die Autorin auf die mangelnde studentische Perspektive hinweisen. Neben Nathalie Niekisch, in Vertretung des netzwerk n, äußerte sich keine studentische Stimme im Laufe der Veranstaltung. Positiv zu erwähnen ist an dieser Stelle allerdings, dass die Organisator_innen im Vorfeld der Veranstaltung in Abstimmung mit den studentischen Akteuren netzwerk n und oikos getreten sind. Dennoch kam es dazu, dass sich der Transformationsgedanke lediglich auf die Bereiche Governance sowie Forschung beschränkte. Glücklicherweise konnte das netzwerk n an dieser Stelle einen wichtigen und von allen Seiten begrüßten Beitrag liefern. Dies zeigt, dass es auf Veranstaltungen wie dieser essentiell ist, echte Partizipationsmöglichkeiten für alle Interessensvertreter_innen zu bieten – inklusive der Studierendenschaft, die doch in allen Hochschulen die größte Gemeinschaft bildet.

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Ein Gastbeitrag von Nathalie Niekisch