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Die neue Nachhaltigkeitsstrategie umsetzen – ran an die heiligen Kühe!

Erste Sitzung des Forum Nachhaltigkeit im Bundeskanzleramt

Wie gut und ambitioniert ist die neue deutsche Nachhaltigkeitsstrategie? Wie kann, bei allen Defiziten, die Umsetzung dieser Strategie gelingen? Und wie kann und muss die gesellschaftliche Beteiligung bei dieser Umsetzung und der permanenten Weiterentwicklung aussehen?

Über diese Fragen diskutierten am 13. Juni 2017 rund 100 Expert_innen aus Zivilgesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft, Kirchen, Ländern und Kommunen im Bundeskanzleramt. Vom WWF, BUND, deutschen Bundesjugendring über Ärztekammer bis hin zum Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) war eine entsprechend heterogene Akteurslandschaft vertreten. Sie folgten damit der Einladung der Bundesregierung zum ersten “Forum Nachhaltigkeit”. Für unser Netzwerk waren Annika Taubert und Johannes Geibel mit dabei.

Lob und Kritik an der Nachhaltigkeitsstrategie

Beides gab es zuhauf. Gerade einige Elemente der neuen Nachhaltigkeitsgovernance wurden positiv und anerkennend hervorgehoben. Mehr dazu später. Unserer Kritik wurde dabei von vielen anderen Akteuren, insbesondere von jenen aus den Bereichen Umwelt und Eine-Welt, geteilt. Viele Zielwerte sind doch reichlich unambitioniert. Ein Beispiel: im Bereich Bildung (SGD 4) ist ein Ziel, dass bis 2020 maximal 10 Prozent der 18- bis 24 ohne Schulabschluss (Sekundarstufe II) dastehen. Nunja, im Jahr 2015 war man bereits bei 9,8 Prozent. Will man also bis 2020 wieder mehr junge Menschen ohne Schulabschluss die Schule verlassen sehen? Das kann es doch nicht sein! Weitere große Kritikpunkte waren das völlige Fehlen des Suffizienzgedankens. Allein das Wort kommt nicht ein einziges Mal in dem 250 Seiten umfassenden Dokument vor. Die Bundesregierung scheint sich vor diesem Begriff und der Debatte darüber, was ein gutes, genügsames Leben ausmacht, zu ängstigen.

Immerhin gilt: absolute Leitplanken menschlicher Entwicklung in Form von planetaren Grenzen werden in den Managementregeln klar benannt. Wenn man allerdings die einzelnen Ziele in ihrer Gesamtheit betrachtet gilt: diese Bundesregierung hat dieses Konzept noch nicht voll verinnerlicht. Abhilfe könnte da ein klarer Fokus auf einige wenige Kernprojekte der Transformation hin zu einer nachhaltigen Entwicklung Deutschlands darstellen. Prof. Dirk Messner, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltfragen mahnte genau dies an und schlug gleich solche Kernprojekte vor. Erstens die Wende zu einer nachhaltigen Landwirtschaft, die Ertrag, dauerhafte Bodenqualität und Biodiversität unter einen Hut bringen müssen. Und zweitens die Verkehrswende mit der Abkehr von fossiler Mobilität.

Verbesserungen in der neuen Nachhaltigkeitsstrategie

Für die alte Nachhaltigkeitsstrategie galt, dass die einzelnen Ministerien, mit gewissen Ausnahmen, ihre Politik nicht mit den Zielen der Nachhaltigkeitsstrategie abstimmten. Doch wie kann verhindert werden, dass Ministerien weiter das gewohnte “Buisness as usual” praktizieren? Dazu gibt es echte Neuerungen in der Nachhaltigkeitsstrategie – wir hoffen, dass daraus dann auch die notwendigen Verbesserungen resultieren. So gibt es zukünftig in allen Ministerien sog. Ressortkoordinator_innen für nachhaltige Entwicklung und damit Verantwortliche mit personellen Ressourcen für das Thema. Auch wird, mit Beginn der neuen Bundesregierung ab Frühjahr 2018, die sog. Dialoggruppe mit Akteuren aus Zivilgesellschaft, Wissenschaft, Gewerkschaften und Unternehmerverbänden eingerichtet, um die Sitzungen des Staatssekretärsausschusses inhaltlich mit vorzubereiten. Ein echtes Novum mit der Chance, Diskurse zu verändern. Zudem wurde bereits die Wissenschaftsplattform Nachhaltigkeit 2030 zur Begleitung der Umsetzung der SDGs etabliert. Die Neuerungen an der deutschen Nachhaltigkeitsarchitektur lassen einen doch mit mehr Optimismus nach vorne blicken.

Ein Wandercoaching für das Nachhaltigkeitsreferat des Bundeskanzleramts

Weiteren Verbesserungsbedarf gibt es allerdings auf der Ebene des neuen Forum Nachhaltigkeit. Zweieinhalbstündige Kurzstatements ohne Beantwortung von Fragen oder Debatte zwischen den Akteuren. Das war dann irgendwann doch sehr zäh – und es geht besser! Einer Bewerbung im Wandercoaching-Programm durch das Nachhaltigkeitsreferat des Kanzleramts würden wir sehr offen gegenüberstehen. Denn die Kompetenzen, das Wissen und der Enthusiasmus der vertretenen Akteure lässt sich besser in den Nachhaltigkeitsdiskurs der Bundesregierung einspeisen.