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Erstes Berliner Dialogforum

Fast 100 Teilnehmende zur Auftaktveranstaltung zum Positionspapier „Nachhaltigkeit & Ethik an Hochschulen“ 

Hochschulen gemeinsam gestalten?! – Rückblick auf das erste Berliner Dialogforum

Am 27. Oktober 2017 fand das erste Berliner Dialogforum in den Räumlichkeiten der Heinrich-Böll-Stiftung statt. Im Rahmen der Veröffentlichung des Positionspapiers „Nachhaltigkeit und Ethik an Hochschulen“ wurde unser Wissenschaftssystem vor dem Leitbild der Nachhaltigkeit mit der interessierten Öffentlichkeit diskutiert.

Ab morgens 10 Uhr fanden sich Studierende, junge Wissenschaftler_innen, wissenschaftspolitische Akteure der Bundes- und Landesebene und Multiplikator_innen der Hochschulöffentlichkeit in der Heinrich-Böll-Stiftung ein und konnten sich auf ein gut gefülltes Programm freuen: Keynotes, drei parallele Workshops mit inspirierenden und erfahrenen Referent_innen und eine Fishbowl-Diskussion boten viele verschiedene Perspektiven auf das Thema nachhaltige Hochschulen.

Der Tag stand dabei unter folgenden Leitfragen:

  • Was bedeutet das gesellschaftliche Leitbild einer nachhaltigen Entwicklung für unsere Hochschulen?
  • Wie kann Nachhaltigkeit konkret in Forschung und Lehre einfließen?
  • Was können junge Menschen zur Transformation der Hochschulen beitragen und wie lassen sich ihre Impulse wirkmächtiger einbeziehen?
  • Wie können nachhaltige Strukturen entstehen?
  • Welche Herausforderungen ergeben sich hieraus für die neue Bundesregierung – unabhängig der parteipolitischen Färbungen?

Arbeitsgrundlage der Diskussionen und Workshop war dabei das druckfrisch veröffentlichte Positions- und Forderungspapier „Nachhaltigkeit & Ethik an Hochschulen“. Das Papier wurde von den studentischen Initiativen netzwerk n e.V., Weitblick e.V.sneep e.V. und Was bildet ihr uns ein? e.V. in einem 14-monatigen breiten partizipativen Prozess erarbeitet. Und kann ab jetzt hier unterzeichnet werden.

Den Einstieg gestalteten neben Lisa Weinhold (netzwerk n e.V.) und Philipp Antony (Heinrich-Böll-Stiftung) als Gastgebende der Veranstaltung, Loreen Wachsmuth (sneep e.V.) und Niklas Brummer (Weitblick e.V.), die das Positionspapier kurz vorstellten und den Hintergrund der Entstehung des Papiers beleuchteten. Zwei Keynotes, von Miriam Block (Campus Grün) und Prof. em. Dr. René Schwarzenbach (ETH Zürich, Dept. Umweltsystemwissenschaften;

Präsident International Sustainable Campus Network), ergänzten den thematischen Aufschlag durch ihre inspirierenden Inputs. Miriam Block wies dabei auf die Rolle studentischen Engagements für einen Wandel des Hochschulsystems sowie auf die Notwendigkeit, dass verfasste Studierendenschaft, studentische Initiativen und engagierte Einzelpersonen zusammenarbeiten und sich gegenseitig unterstützen hin. Prof. em. Dr. René Schwarzenbach beleuchtete zum einen, dass jede Hochschule ihren eigenen Charakter, ihr eigenes Profil und ihre eigenen (beschränkten) Möglichkeiten hat, um wirklich tiefgreifende Veränderungen vorzunehmen. Zum anderen wies er darauf hin, dass das gegenwärtige akademische System durch Ratings und Rankings dominiert werde, in denen Analysen eine herausragende Rolle spielen. Danach ging er auf die ETH Zürich als konkretes Fallspiel einer Hochschule ein, die sich auf den Weg zur nachhaltigen Transformation gemacht hat und an der nachhaltige Entwicklung zur „Chefsache“ erklärt wurde.

2-teilige Workshop-Phase: Nachhaltigkeit auf Bundes-, Landes- und Hochschulebene

Nach den Impulsen ging es direkt weiter mit der zweiteiligen Workshop-Phase (inklusive einer leckeren, stärkenden Mittagspause). Auf Basis des Positionspapiers wurde diskutiert, wie strukturelle Veränderungen an Hochschulen initiiert werden können sowie welche Rolle der Wissenschaftspolitik dabei zukommt. Gemeinsam mit den Autor_innen des Papiers, Hochschulangehörigen und Verantwortlichen der Wissenschaftspolitik wurde mit konkreten Beispielen aufgezeigt, wie Nachhaltigkeit im Hochschulsystem schon heute umgesetzt und gelebt werden kann – sowie, wo weiterer Veränderungsbedarf besteht. Die Workshops teilten sich thematisch in Bundes-, Landes- und Hochschulebene auf.

Im Workshop zur bundespolitischen Ebene (WS1) wurden der Status quo und Umsetzungsmöglichen für nachhaltigere Hochschulen diskutiert. Dr. Mandy Singer-Brodowski (Institut Futur, FU Berlin) referierte dazu aus dem frisch veröffentlichen Monitoringbericht über den Stand von (B)NE an deutschen Hochschulen. Korinna Sievert aus dem Bundesministerium für Umwelt und Bau (BMUB) skizzierte ihre Schwerpunkttätigkeit (Jugendbeteilung und BNE-Projekte im non-formalen Bereich) und bot einen direkten Einblick in die Arbeitsprozesse eines Bundesministeriums. Schließlich legte Janek Heß (freier zusammenschluss von studentInnenschaften, fzs) dar, wie sich seine Organisation rund ums Thema nachhaltige Hochschulen engagiert und dass das Thema bereits in der Gründungssatzung des fzs aus den 1990er-Jahren verankert war.

Es stellte sich heraus, dass viele Stellschrauben auf der Hochschulebene liegen und die Bundesebene bisher kaum Raum für konkrete Umsetzungsmaßnahmen bietet. Gerade Letztere sollte allerdings geeignete und ermöglichende Rahmenbedingungen – besonders finanzieller Art – schaffen. Die Workshop-Teilnehmenden kamen außerdem zu dem Schluss, dass Partizipation gestärkt werden muss, indem die entsprechende Zielgruppe von Anfang an am Prozess beteiligt wird. Außerdem stellen die Verstetigung von Finanzmitteln, die Aufnahme von Nachhaltigkeit in die Zielvereinbarungen und die Stärkung von Lehrkompetenz zentrale Hebel für mehr Nachhaltigkeit an Hochschulen dar.

In Workshop 2 beschäftigten sich die Teilnehmenden mit Stellschrauben und Herausforderungen auf der Landesebene. Lucas Höwner, Mitarbeiter der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen im Abgeordnetenhaus Berlin, Christian Schaft, wissenschafts- und hochschulpolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag, und Lara Lütke-Spatz, Koordinatorin des 2012 von ihr mitinitiierten Netzwerks Hochschule und Nachhaltigkeit Bayern, boten aus ihrer spezifischen Akteursrolle heraus einen Einblick, wie vielfältig die Möglichkeiten der politischen Intervention für eine nachhaltige Hochschulentwicklung auf der Landesebene sein können. Die genannten Stellschrauben waren u.a. Hochschulgesetze, Erprobungsklauseln, Finanzierungsvereinbarungen, Rahmenverträge der Studierendenwerke, Akkreditierungsverordnungen, Koalitionsverträge, Landeshaushaltsaufstellungen, das Vergaberecht, die Länderkoordination in der Kultusministerkonferenz, Kleine Anfragen für die Bestandsaufnahme der nachhaltigen Hochschulentwicklung sowie die Netzwerkbildung. Dies verdeutlichte, dass Hochschulpolitik im deutschen föderalistischen System hauptsächlich in der Verantwortung der Länder liegt, auch wenn diese angesichts der verfassungsrechtlich zugesicherten Autonomie der Hochschulen lediglich auf die Rahmenbedingungen einwirken können.

Auch Workshop 3, der sich auf die Hochschulebene konzentrierte, wurde mit drei spannenden Impulsen begonnen: Marie Heitfeldt von Weitblick e.V. beleuchtete die Perspektive von Studierendeninitiativen auf nachhaltige Hochschultransformation, Nadine Dembski von der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde widmete sich den Lern- und Veränderungsprozessen der Hochschule und Karola Braun-Wanke von SUSTAIN IT! (FU Berlin) zeigte, wie es möglich war, transformative Lehr-, Lern- und Veranstaltungsformate als Pilotprojekte zu entwickeln und im Rahmen der Initiative SUSTAIN IT! strukturell an der FU Berlin zu verankern.

Später wurden u.a. Fragen nach der Weiterentwicklung vom Projekt zur Struktur diskutiert, ergo wie es gelingen kann, ein Pilotprojekt oder einen einzelnen Veränderungsimpuls zu institutionalisieren. Diesbezüglich waren vor allem zwei Fragen zentral:

  • Welche Gelingensbedingungen an der Hochschule sind zu identifizieren, damit eine Wirkung innerhalb der Organisation erzielt werden kann?
  • Hier wurde u.a. deutlich, dass für das Gelingen eines Projekts, Studierende, Lehrende und Forschende aller Fachrichtungen erreicht werden müssen. Außerdem kann eine politische Flankierung von außen (durch Land, Bund, Unternehmen, Zivilgesellschaft) von hoher Bedeutung sein. Weiterhin wurde die Einbeziehung aller Statusgruppen als wichtige Gelingensbedingung festgehalten.
  • Wie schafft man eine Wirkung aus der “Blase” heraus?
  • Hierbei wurden vor allem drei Elemente identifiziert: Partizipation, Kommunikation und Transparenz sowie Koordinierung. Damit kann Akzeptanz und Öffentlichkeit geschaffen werden, die Hochschulleitung mit ins Boot geholt werden und die Hochschule bewegt sich hin zu einer lernenden und Veränderungswillen Organisation.

Letztlich sind gute Ideen, politische Unterstützung und konkrete Projekte ein Teil eines Transformationsprozesses, es braucht allerdings auch einen mind shift – eine Kultur der Ermöglichung, um Engagement zu fördern und zu bestätigen, sodass positive Energie und der Wille zur Veränderung entstehen und institutionell verankert sowie verstetigt werden.

Spannende Diskussionen: Hochschulen als Experimentierfelder

Nach dem zweiten Teil der Workshop-Phase kamen alle Teilnehmenden im Großen Saal der Stiftung zusammen, um gemeinsam die Ergebnisse zu diskutieren. Lukas Daubner (Was bildet ihr uns ein? e.V.) moderierte die Fishbowl-Diskussion. Neben einem Einblick in die Fragen und Inhalten der Workshops wurde u.a. die Idee eines bundesweiten „Öko-Hochschulrankings“ kontrovers diskutiert.

Um 16 Uhr war der vom netzwerk n organisierte Veranstaltungsteil abgeschlossen und mit einer Kuchen- und Kaffeestärkung ging es in den letzten von der Heinrich-Böll-Stiftung federgeführten Teil des Tages: „Die Berliner Hochschuldebatte!“. Geladen waren Kai Gehring (MdB Bündnis 90/Die Grünen), Prof. Dr. Jule Specht (Junge Akademie der BBAW), Prof. Dr. Monika Gross (Präsidentin Beuth Hochschule für Technik Berlin) und Dr. Thorsten Wilhelmy (Wissenschaftskolleg). Die Diskussion drehte sich um eine Neuordnung der Hochschulfinanzierung sowie welche Rolle die Digitalisierung in den Hochschulen heute spielt und in Zukunft spielen sollte. Die Perspektive der jungen Generation sowie die zentrale Herausforderung des Klimawandels und der Beitrag der Wissenschaft zu mehr Nachhaltigkeit kamen jedoch leider nur am Rande und auf Grund von Nachfragen aus dem Publikum vor.

Um 18:30 Uhr endete mit einem gemeinsamen Ausklang inklusive Brezeln die Hochschuldebatte und somit das erste Berliner Dialogforum. Wir danken allen Mitorganisierenden, Referent_innen und Teilnehmenden, die mit uns den Tag verbracht und gemeinsam diskutiert sowie Impulse gesetzt haben. Wir hoffen, dass einige Impulse und Umsetzungsmaßnahmen mit in die jeweiligen Arbeitsbereiche mitgenommen werden konnten und wir wieder einen Schritt weiter zur nachhaltigen Hochschultransformation gekommen sind.

Die ausführlichen Protokolle, Präsentationen bzw. Handouts der Referent_innen (falls vorhanden) befinden sich auf der plattform n. Das Positionspapier, weitere Informationen dazu sowie der Aufruf, die Petition zu unterzeichnen, findet Ihr auf der Website der Initiative nachhaltige-hochschulen.de

Bis bald (bspw. zur konferenz n?!) und transformative Grüße

Lisa